Ein in Deutschland aufgewachsener Ausländer darf wegen einer schweren Sexualstraftat aus generalpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Für sein frauenverachtendes Weltbild gebe es hier keinen Platz, entschied das OVG Rheinland-Pfalz.
Die Ausweisung eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers aus generalpräventiven Gründen wegen einer schweren Sexualstraftat, die Ausdruck einer durch ein frauenverachtendes Weltbild geprägten Einstellung ist, ist rechtmäßig. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz nach Mitteilung vom Dienstag mit einem rechtskräftigen Beschluss (Beschl. v. 23.10.2018, Az. 7 A 10866/18.OVG).
Der türkische Kläger war im Alter von sieben Jahren mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Mit 19 Jahren machte er mit zwei anderen jungen Männern eine 16-Jährige betrunken, zusammen missbrauchten sie das Mädchen sexuell in einem Parkhaus. Von einem Mittäter wurde es so schwer am Unterleib verletzt, dass es zweimal operiert werden musste. Die Täter hatten das Opfer laut OVG nackt und stark blutend zurückgelassen. Alle drei Täter und auch die junge Frau haben türkische beziehungsweise kurdische Wurzeln.
Das Landgericht Mainz verurteilte den Mann rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren, die er vollständig verbüßte. Im Juni 2017 wies ihn der beklagte Rhein-Lahn-Kreis primär aus generalpräventiven Gründen aus und lehnte die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab. Seine Klage dagegen wies das Verwaltungsgericht Koblenz ab.
OVG: Abschreckung für eine Vielzahl junger Männer
Das OVG bestätigte die Entscheidung nun. Unter generalpräventiven Gesichtspunkten sei insbesondere das Geschehen vor der Tat und die sich daraus ergebende Einstellung des Mannes von besonderer Bedeutung, so das Gericht. Die Täter kannten das 16-jähirige Opfer bereits vor der Tat und wählten sie gezielt aus, weil sie westliche Wertevorstellungen angenommen hatte. Sie habe sich nach westlicher Mode gekleidet und geschminkt und sei ohne Begleitung ausgegangen. Allein dies habe sie nach dem Welt- und Frauenbild der Täter bereits als zu verachtende "Schlampe, die es mit jedem und gerne auch mit mehreren Männern gleichzeitig treibe", qualifiziert.
Es sei Aufgabe des Ausweisungsrechts zu verhindern, dass eine solches archaisches und mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarendes Frauenverständnis zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verleite, entschied das OVG. Durch die Ausweisung werde einer Vielzahl junger Männer verdeutlicht, dass der deutsche Staat nicht nur Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestim-mung bestrafe, sondern auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergreife.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Juli entschieden, dass generalpräventive Gründe auch nach dem seit 2016 geltenden neuen Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse begründen können. Die Ausweisung ist ein Verwaltungsakt, mit dem eine Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringen und ein Verbot zur Erteilung eines neuen Aufenthaltstitels verhängen kann. Der Adressat wird hierdurch ausreisepflichtig. Die Abschiebung selbst ist ein Zwangsmittel zur Durchsetzung der Ausreisepflicht.
acr/LTO-Redaktion
OVG Rheinland-Pfalz: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32213 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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