OVG NRW: Luf­t­r­ein­hal­te­plan für Aachen ist rechts­widrig

31.07.2019

Zum Fahrverbot für die Stadt kommt es nicht zwingend, die zuständige Behörde habe aber gleich mehrere Fehler gemacht. Die Münsteraner Richter gaben ihr deshalb auf, den Luftreinhalteplan zu überarbeiten.

Der Luftreinhalteplan vom 1. Januar 2019 für die Stadt Aachen ist rechtwidrig. Das Land NRW muss ihn entsprechend fortschreiben. Ob und wann es in der Stadt Aachen zu Fahrverboten kommt, bleibt dabei erst einmal offen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am Mittwoch entschieden und damit eine Entscheidung das Verwaltungsgerichts Aachen bestätigt (Urt. v. 31.07.2019, Az. 8 A 2851/18 ).

An verschiedenen Messstellen in der Stadt Aachen wird der seit dem 1. Januar 2010 einzuhaltende Grenzwert für Stickstoffdioxid (im Jahresmittel 40 Mikrogramm pro Kubikmeter) nicht eingehalten. Die zuständige Bezirksregierung Köln hat einen Luft­reinhalteplan mit Wirkung ab 1. Januar 2019 aufgestellt, der verschiedene Maßnah­men enthält, um die Luftqualität in Aachen zu verbessern. Fahrverbote hat sie darin aber nicht vorgesehen.

Diesen Luftreinhalteplan halten die Münsteraner für unzureichend. Die gesetzlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxid seien verbind­lich, auch wenn sie fachlich nicht unumstritten seien. Die Anbringung der Messvorrich­tungen in Aachen halte sich jedenfalls im Rahmen der gesetzlichen Bandbreite (Höhe, Abstände zu Straßen und Gebäuden). Auch durch zulässige Ortsveränderungen sind nach Auffassung des OVG keine wesentlich anderen Messergebnisse zu erwarten.

Damit sei der Luftreinhalteplan insgesamt rechtswidrig, weil die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht den Anforde­rungen der Europäischen Richtlinie 2008/50/EG und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genügten. Danach müssen die Maßnahmen eines Luft­reinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum der Überschreitung des Immissions­grenzwerts "so kurz wie möglich" zu halten.

Fahrverbote nicht zwingend, aber wenigstens zu prüfen

Der Senat betonte jedoch ausdrücklich, dass selbst dann, wenn Fahrverbote die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte sind, die zuständige Behörde solche nicht zwingend anordnen muss. Vielmehr müssten Fahrverbote unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig sein, so die Richter. Von ihnen darf deshalb unter Umständen ganz oder teilweise abgesehen werden, zum Beispiel mit Ausnahmen für bestimmte Gruppen wie Anwohner oder Handwerker oder in Form eines Übergangszeitraums, damit sich Betroffene auf die Veränderung einstellen können.

Sieht eine Behörde von Fahrverboten ab, weil die Grenzwerte nach ihrer Prognose ohnehin kurzfristig eingehalten werden, dann müsse sie allerdings bereits im Luftreinhalte­plan für den Fall vorsorgen, dass die Prognose sich nicht bewahrheitet. Das sei im vorliegenden Fall nicht geschehen: Erstens habe die Behörde ihre Prognose auf veraltete Daten gestützt und zweitens womöglich doch notwendig werdende Fahrverbote nicht ausreichend geprüft.

Daher muss das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung Köln, dem Urteil nach den Luftreinhalteplan 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des OVG unverzüglich fortschreiben. Dies dauert erfah­rungsgemäß mehrere Monate. Die Richter betonten dabei, dass die mit dieser Entscheidung aufgestellten Kriterien auch für die noch 13 anderen, anhängigen Verfahren bezüglicher weiterer Fahrverbote in anderen Städten Bedeutung haben. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache ließen sie zudem die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu.

ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG NRW: . In: Legal Tribune Online, 31.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36803 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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