Die Stadt muss das Zwangsgeld wegen ihrer zögerlichen Bemühungen um die Rückholung des mutmaßlichen Terrorhelfers Sami A. nicht bezahlen. Dieser gibt unterdessen an, in Tunesien gefoltert worden zu sein.
Sami A. sorgt weiterhin für Trubel in der deutschen Justizlandschaft. Nachdem der Fall des fälschlicherweise abgeschobenen 42-jährigen Tunesiers, der früher als Leibwächter für Osama Bin Laden gearbeitet haben soll, am Montag noch den Rechtsausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag beschäftigte, gibt es nun eine weitere Entscheidung: Die Stadt Bochum muss das gegen sie verhängte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro nicht zahlen.
Die Anwältin von Sami A. hatte das Zwangsgeld beantragt, weil sich die Stadt ihrer Auffassung nach nicht genug bemüht hatte, ihren Mandanten nach dessen Abschiebung wieder aus Tunesien nach Deutschland zurückzuholen. Das zuständige Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen setzte das Zwangsgeld schließlich fest. Dagegen legte die Stadt Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW ein - mit Erfolg: Das Gericht stellte nun fest, dass kein Grund mehr für die Verhängung des Zwangsgeldes bestehe (Beschl. v. 28.08.2018, Az. 17 E 729/18).
Das OVG befand, dass die Stadt Bochum nach der Festsetzung des Zwangsgeldes alles in ihrer Macht stehende unternommen habe, um A. die Wiedereinreise zu ermöglichen. So habe sie zugesichert, ihm unverzüglich eine Betretenserlaubnis zu erteilen und das Auswärtige Amt um die Ausstellung eines Einreisevisums zu ersuchen. Dafür, dass A. sich bislang nicht ausreichend um einen gültigen tunesischen Reisepass bemüht habe, den er zu seiner Rückkehr benötigt, kann die Stadt nach Ansicht der Richter hingegen nichts.
Die Abschiebung von Sami A. war viel kritisiert und im Nachhinein sowohl vom VG Gelsenkirchen als auch vom OVG als rechtswidrig eingestuft worden. Die Behörden hatten bei der Abschiebung nach Ansicht des OVG eine Anordnung des VG bewusst ignoriert, nach der A. nicht abgeschoben werden durfte, weil ihm in seinem Heimatland Folter drohen könnte. Daher ordnete das Gericht dessen Rückholung an.
Wurde Sami A. gefoltert?
Wie nun bekannt wurde, könnten die Befürchtungen der Gelsenkirchener Verwaltungsrichter nicht ganz unbegründet gewesen sein, jedenfalls, wenn man A. und seinen Anwälten Glauben schenkt: Diese verschickten am Dienstag ein Schreiben, in dem sie behaupten, ihr Mandant sei im Gefängnis in Tunesien drangsaliert worden. Erst Ende Juli hatten die tunesischen Behörden für A.s Freilassung gesorgt.
In dem an Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) adressierten Brief seiner Anwälte sei von Fesseln, Nackenschlägen und Schlafentzug die Rede, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger. Fast zwei Tage habe Sami A. demnach auch nichts zu Essen oder zu Trinken erhalten. Diese Behandlung sei als Folter einzustufen, erklärten die Anwälte.
Stamp erklärte auf Nachfrage der dpa, er sei "überzeugt, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert worden ist und ihm auch keine Folter droht". Vor zwei Wochen hatte er dazu gesagt: "Wenn dies passiert wäre oder passieren würde, würde ich nicht eine Minute zögern, mein Amt zur Verfügung zu stellen."
Sowohl Stamp als auch NRW-Innenminister Herbert Reul und Justizminister Peter Biesenbach (beide CDU) waren in der Affäre um die Abschiebung ebenfalls stark in die Kritik geraten. Unter anderem hatte OVG-Präsidentin Ricarda Brandts den zuständigen Behörden vorgeworfen, der Justiz Informationen vorenthalten zu haben. Aufgrund der mangelnden Kooperation von Behörden und Justiz und der Reaktion vieler Politiker hatte sich an der Abschiebung A.s eine scharfe Debatte um den Rechtsstaat entzündet.
mam/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
OVG NRW zum Fall Sami A.: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30621 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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