Das Beherbergungsverbot scheint die Gerichte bundesweit nicht zu überzeugen. Nun ist es auch in Niedersachsen vorläufig außer Vollzug gesetzt. Es leiste keinen Beitrag zum Infektionsschutz, so das OVG.
Nach dem Verwaltungserichtshof Baden-Württemberg hat auch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) das Beherbergungsverbot des Landes für Reisende aus deutschen Corona-Hotspots in einem Eilverfahren für rechtswidrig erklärt (Beschl. v. 15.10.2020 – Az. 3 MN 371/20). Der Beschluss sei unanfechtbar, teilte das Gericht am Donnerstag in Lüneburg mit. Geklagt hatte der Betreiber eines Ferienparks.
Die Beherbergungsbetriebe, beispielsweise Hotels und Pensionen, müssen sich "mit sofortiger Wirkung" nicht mehr an die entsprechende Verordnung halten, wie das Lüneburger Gericht mitteilte. Bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren in der Sache könne es noch Monate dauern, sagte eine Sprecherin des Gerichts. Das Verbot war erlassen worden, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Reisenden aus deutschen Regionen mit mehr als 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wurden Urlaubsaufenthalte damit erschwert. Am Donnerstag standen 54 Regionen auf der Liste der betroffenen Regionen. Deutschlandweit regte sich massive Kritik, auch Verfassungsrechtler bezweifelten die Verfassungsmäßigkeit des Verbots.
Zu unbestimmt, zu viele Ausnahmen, zu generalisierend
Die Richter in Lüneburg nehmen einen unangemessenen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Betreiber von Beherbergungsbetrieben an. Sie befanden laut Mitteilung des Gerichts, dass das Beherbergungsverbot zu unbestimmt ist. Die Corona-Beherbergungs-Verordnung sage nur, dass das Verbot für Personen "aus" Risikogebieten gelte. Es sei nicht erkennbar, ob diese Personen dort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben müssten oder ob ein kurzzeitiger Aufenthalt genüge.
Das OVG hält es für zweifelhaft, ob ein derart begrenztes Verbot überhaupt geeignet und erforderlich sei. Jedenfalls sei das Verbot keine notwendige infektionsschutzrechtliche Schutzmaßnahme. Es gebe so viele Ausnahmen (unter anderem für Fahrten von Berufspendlern und Heimreisen niedersächsischer Bürger aus innerdeutschen Risikogebieten), dass das Reisegeschehen nur sehr begrenzt erfasst sei.
Das Gericht kritisiert außerdem, dass das schlichte Anknüpfen an Infiziertenzahlen in einem Gebiet nicht ausreichend sei, um unterschiedslose generalisierende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Stattdessen seien tatsächliche Erkenntnisse aus den Risikogebieten heranzuziehen.
In anderen Bundesländern weiterhin in Vollzug
Niedersachsens Landesregierung hatte sich den Beherbergungsverboten anderer Bundesländer zunächst nicht angeschlossen, nach wenigen Tagen aber doch nachgezogen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) begründete das damit, dass das Land anderenfalls eine besondere Anziehung für Touristen gehabt hätte, die vom Urlaub in den übrigen Ländern ausgeschlossen wurden.
Auch in Baden-Württemberg war das Beherbungsverbot am Donnerstag vom dortigen Verwaltungsgerichtshof gekippt worden. In Sachsen kündigte die Regierung nach einem Gespräch mit Landräten und Bürgermeistern aus dem Freistaat an, dass es ab Samstag das umstrittene Beherbergungsverbot nicht mehr geben wird. Andere Bundesländer halten weiter daran fest.
pdi/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
Auch OVG Niedersachsen kippt Beherbergungsverbot: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43121 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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