Schlappe für die Kieler Staatsanwaltschaft: Ein Ermittlungsverfahren gegen die Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen hätte viel früher enden müssen, befand das OLG Schleswig. Eine Entschädigung erhält Hansen aber nicht.
Die Staatsanwaltschaft Kiel hat nach Überzeugung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig viel zu lange ein Ermittlungsverfahren gegen die Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen geführt. Diese Entscheidung gab das Gericht am Freitag bekannt. Eine finanzielle Entschädigung bekommt Hansen aber nicht. In diesem Punkt wiesen die Richter ihre Klage gegen das Land ab (Urt. v. 26.06.2020, Az. 17 EK 2/19 und 17 EK 3/19).
Das Verfahren gegen Hansen und einen ihrer Mitarbeiter war nach drei Jahren und acht Monaten im Juni 2019 wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt worden. Mit der Einstellung verbinde sich kein Schuldnachweis, erläuterte das Gericht. Hintergrund der Ermittlungen war Betrugsverdacht bei der Abrechnung von Förderprojekten. Der Vorwurf hatte sich laut Staatsanwaltschaft weitestgehend nicht bestätigt. Fördergelder wurden nicht zurückgefordert.
Das Verfahren hätte aus Sicht des Gerichts schon bis Ende 2017 abgeschlossen werden können. Hansen und ihr Mitarbeiter hatten auf Wiedergutmachung gegen das Land geklagt. Hansen habe mit der gerichtlichen Feststellung der überlangen Verfahrensdauer und dem Verfahren vor dem Senat hinreichende Genugtuung erfahren, befand das Gericht indes. "Sie konnte dort sowie im Vor- und Nachgang ihr Anliegen angemessen und medial beachtet darstellen." Eine finanzielle Entschädigung gestanden die Richter ihr damit nicht zu. Bei ihrem Mitarbeiter liege der Fall anders. Ihm stehe aufgrund erlittener und noch andauernder beruflicher Nachteile zusätzlich eine Entschädigung von 1.800 Euro zu.
Ein unangemessen langes Ermittlungsverfahren
"Das Ermittlungsverfahren ist sowohl zeitlich als auch nach seiner inhaltlichen Ausgestaltung in mehrfacher Hinsicht unangemessen lang", äußerte das OLG zu den Entscheidungsgründen. "Dies verletzt die Kläger in ihrem Anspruch auf eine effektive und der Unschuldsvermutung gerecht werdende Verfahrensgestaltung." Schon die Dauer sei nach Art und Umfang der Vorwürfe eine deutliche Überschreitung dessen, was zeitlich noch eine als rechtsstaatlich anzusehende Verfahrensdauer darstelle. "Zudem fehlte es an einer frühzeitigen und zielgerichteten Planung des Verfahrens, die sich am Nachweis strafbaren Verhaltens orientierte." Dadurch sei es zu absehbaren Verzögerungen gekommen, obwohl das Verfahren aufgrund einer frühen Durchsuchung zu beschleunigen gewesen wäre.
Gerade eine prioritäre Behandlung habe die Behördenleitung nach der ersten Verzögerungsrüge auch zugesagt. "Auch haben organisatorische Mängel in Form wiederholter Wechsel der zuständigen Staatsanwälte jedenfalls ab dem Jahr 2018 zu weiteren vermeidbaren zeitlichen Verzögerungen geführt", rügte das Gericht.
Die Staatsanwaltschaft äußerte sich zu der Entscheidung nicht, mit dem Hinweis die Klage habe sich gegen das Land gerichtet. Das Justizministerium erklärte, es wolle zunächst die schriftliche Begründung prüfen. Dann werde entschieden, was gegebenenfalls zu tun sei, sagte ein Sprecher.
Staatsanwaltschaft und Regierungsverantwortliche sollten Lehren aus der Gerichtsentscheidung ziehen, sagte der SPD-Datenschutzpolitiker Stefan Weber. Die Angelegenheit sei für die Justiz mehr als nur eine peinliche Schlappe. In diesem Fall sei keine Schuld bewiesen, aber auch keine Unschuld bescheinigt worden – "nur um ein völlig verkorkstes Verfahren irgendwie vom Tisch zu bekommen". Das sei eines Rechtsstaates nicht würdig. In dem Verfahren seien Anfragen nicht beantwortet, Beweisangebote nicht verfolgt und daraus resultierende Untätigkeitsbeschwerden nicht bearbeitet worden, kritisierte Weber. Dafür sei eine stigmatisierende Einleitung eines Strafverfahrens öffentlichkeitswirksam in der Presse verkündet worden - das habe wenig mit Respekt vor den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen zu.
dpa/acr/LTO-Redaktion
OLG Schleswig rüffelt Kieler Staatsanwaltschaft: . In: Legal Tribune Online, 26.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42023 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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