Terrorprozess am OLG München: Zehn Jahre Haft für IS-Rück­keh­rerin

25.10.2021

Ein versklavtes Mädchen wurde im Irak von einem IS-Mann unter sengender Sonne im Freien angebunden und starb. Das OLG München verurteilte die nach Deutschland zurückgekehrte Ex-Frau des Mannes u. a. wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit.

In ihrem Terrorprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) München ist die IS-Rückkehrerin Jennifer W. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Das Gericht verurteilte sie am Montag unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen Beihilfe zum versuchten Mord sowie zum versuchten Kriegsverbrechen und wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit (Urt. v. 25.10.2021, Az. 8 St 9/18).

Die Bundesanwaltschaft hatte der 30-Jährigen aus Lohne in Niedersachsen vorgeworfen, als Mitglied des Islamischen Staates (IS) im Irak tatenlos dabei zugesehen zu haben, wie ihr damaliger Ehemann ein kleines, jesidisches Mädchen bei sengender Mittagssonne in einem Hof ankettete und dort verdursten ließ. Die Angeklagte war die erste weibliche IS-Anhängerin, gegen die nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ein Haftbefehl erlassen wurde.

Beihilfe zum versuchten Mord

Das Kind sei "wehrlos und hilflos der Situation ausgesetzt" gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Baier bei der Urteilsverkündung. Die Angeklagte habe "von Anfang an damit rechnen müssen, dass das in der Sonnenhitze gefesselte Kind sich in Lebensgefahr befand". Sie habe aber "nichts unternommen", um dem Mädchen zu helfen – obwohl ihr das "möglich und zumutbar" gewesen sei. Das Gericht zeigte sich auch überzeugt davon, dass W. der Mutter des Mädchens später, als diese um ihr Kind weinte, drohte, sie zu erschießen, wenn sie nicht damit aufhöre.

W. war ursprünglich u. a. wegen Mordes und Kriegsverbrechens angeklagt worden. Ihr Ex-Mann steht wegen der mutmaßlichen Tat in Frankfurt vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft hatte eine lebenslange Haftstrafe für die Frau gefordert, die Verteidigung eine maximal zweijährige Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung IS.

"Vernichtung der jesidischen Religion" unterstützt

Der Prozess gegen W. hatte im April 2019 Schlagzeilen gemacht, auch weil eine äußerst prominente Anwältin anfangs eine zentrale Rolle spielt: die Menschenrechtsexpertin und Ehefrau des Schauspielers George Clooney, Amal Clooney, die die Nebenklägerin und Mutter des getöteten Mädchens vertritt, vor Gericht in München aber nie erschien. Vor dem Prozess ließ sie in einer gemeinsamen Erklärung der Nebenklage und der jesidischen Organisation Yazda verlauten: "Jesidische Opfer warten schon viel zu lange auf ihre Gelegenheit, vor Gericht auszusagen."

Der Angeklagten seien die menschenfeindlichen Ziele und Taten des IS bekannt gewesen, als sie in den Irak ausreiste, um sich der Organisation anzuschließen, betonte das OLG. W. und ihr damaliger Ehemann hätten die Mutter des gestorbenen Mädchens als Haussklavin ausgebeutet, führte Baier in der Urteilsbegründung weiter aus. Die Frau sei täglich geschlagen worden. W. habe ihren Mann oft dazu angestachelt. Sie habe mit ihrer IS-Mitgliedschaft die "Vernichtung der jesidischen Religion" und die "Versklavung des jesidischen Volkes" unterstützt.

Nach Yazda-Angaben war der Münchner Prozess seinerzeit die weltweit erste Anklage wegen Straftaten von IS-Mitgliedern gegen die religiöse Minderheit der Jesiden. Die Jesidin und Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nannte den Prozess einen großen Moment und ein wichtiges Verfahren für alle jesidischen Überlebenden. "Jeder Überlebende, mit dem ich gesprochen habe, wartet auf ein und dieselbe Sache: Dass die Täter für ihre Taten gegen die Jesiden, insbesondere gegen Frauen und Kinder, verfolgt und vor Gericht gestellt werden."

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Terrorprozess am OLG München: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46442 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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