Die Bild-Zeitung muss an Jörg Kachelmann 395.000 Euro für die Berichterstattung über den Prozess gegen ihn zahlen. In 26 Fällen habe Springer sein Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt, aber keine zielgerichtete Pressekampagne gefahren.
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat dem Wettermoderator Jörg Kachelmann wegen 26 Fällen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 395.000 Euro zugesprochen (Urt. v. 12.07.2016, Az. 15 U 175/15 und 176/15). Nach Angaben seines Anwalts Prof. Dr. Ralf Hoecker, die ein Sprecher des OLG ad hoc weder bestätigen noch dementieren konnte, muss Springer "inklusive Zinsen und Schadensersatz" eine Summe von insgesamt 512.785,66 Euro an den Wettermoderator zahlen*. Das Landgericht (LG) Köln hatte in erster Instanz wegen 38 Fällen insgesamt noch einen Betrag von 635.000 Euro ausgeurteilt.
Nachdem beide Seiten Berufung eingelegt hatten, wobei Kachelmann im Berufungsverfahren noch eine Gesamtsumme von 950.000 Euro begehrte, hat das OLG diesen Betrag auf insgesamt 395.000 Euro herabgesetzt. Davon entfallen 215.000 Euro auf die Springer SE für 14 Printveröffentlichungen und 180.000 Euro auf die Bild GmbH & Co KG für 12 Onlineveröffentlichungen, wobei die Inhalte teilweise identisch sind.
Es ging um Internet- und Printveröffentlichungen in der Zeit von März 2010 bis März 2012 im Zusammenhang mit dem gegen den Wettermoderator laufenden Strafverfahren. Von den Vorwürfen der Vergewaltigung ist er freigesprochen worden.
Keine zielgerichtete Pressekampagne
Eine Gesamtsumme als Geldentschädigung schied für den Senat aus, die Kölner Richter haben vielmehr jede einzelne gerügte Berichterstattung auf ihre Zulässigkeit überprüft. Der Senat geht nämlich, wie zuvor schon das Landgericht, nicht von einer zielgerichteten Pressekampagne gegen Kachelmann aus. Über den Verdacht einer Sexualstraftat habe auch mit Rücksicht auf seine Prominenz vielmehr grundsätzlich berichtet werden dürfen. Das hätten auch nicht nur die Medien des Springer-Verlags, sondern auch Produkte anderer Verlagshäuser getan.
Zulässig sei es dabei auch gewesen, über die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu Tage getretenen Umstände aus seinem Privat- und Beziehungsleben zu berichten, zumal das Strafgericht durch die Vernehmung von Beziehungszeuginnen zu erkennen gegeben habe, dass es ihm für die Beweisaufnahme auch auf die privaten Verhältnisse des heute 57-Jährigen angekommen sei.
Im Einzelnen hat das OLG dem Schweizer Moderator insgesamt 235.000 Euro wegen insgesamt 13 Bildveröffentlichungen zugesprochen, darunter ein Bild im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin (je 10.000 bis 15.000 Euro), auf dem Weg in den Urlaub und am Ort seiner Hochzeit (je 20.000 Euro). Besonders ein Bild von ihm in Untersuchungshaft im Hof der Justizvollzugsanstalt mit nacktem Oberkörper ist dem Senat 30.000 Euro wert, weil der Meteorologe unter Missachtung seiner Würde zur bloßen Belustigung bzw. Befriedigung der Neugier des Publikums vorgeführt worden sei. Dies sei sogar vorsätzlich geschehen, weil das LG zu diesem Zeitpunkt bereits die Veröffentlichung von ähnlichen Bildern verboten gehabt habe.
2/2: Verletzung von Geheim- und Intimsphäre, Vorverurteilung
Ferner habe Kachelmann einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 70.0000 Euro wegen der Verletzungen seiner Geheimsphäre in sechs Fällen, etwa durch die Veröffentlichung privaten SMS-Verkehrs (15.000 Euro) oder Angaben zu seiner gesundheitlichen Situation (10.000 Euro).
Weitere 40.000 Euro stünden ihm wegen der Verletzung seiner Intimsphäre in drei Fällen zu, weil die Springer-Medien intime Details zu seinem Sexualleben veröffentlicht hätten, so die OLG-Richter. Das LG hatte in erster Instanz noch mehr solcher Fälle für ersatzpflichtig gehalten. Da diese Inhalte aber auch im Strafverfahren zur Sprache gekommen waren, folgte der Senat seiner Rechtsauffassung nicht.
50.000 Euro billigte der Senat dem Moderator aber wegen unzulässiger Vorverurteilung in vier Fällen zu. In verschiedenen Veröffentlichungen habe die Bild eine unzulässige Verdachtsberichterstattung betrieben, die nicht von einem hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen gedeckt gewesen sei.
Revision nicht zugelassen
Einen Anspruch wegen Falschberichterstattung sah auch der Senat am OLG nicht als gegeben an. Zwar habe es falsche Berichte gegeben, eine Geldentschädigung sei aber nicht geboten, da Kachelmann in seinem eigenen Buch ähnliche Details geschildert habe.
Keine Geldentschädigung erhält der ehemalige Wettermoderator zudem für zahlreiche Berichterstattungen, für die er bislang keine Unterlassungsforderungen gestellt hatte. Daraus lasse sich schon schließen, dass die Eingriffe für ihn kein besonderes Gewicht gehabt hätten, so der Senat. Jedenfalls enthielten die Artikel inhaltlich keine so schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen, dass eine Geldentschädigung geboten gewesen wäre, teilte das Gericht mit.
Bei der Bemessung der Geldentschädigung hat der Senat auch berücksichtigt, dass es mit dem Strafverfahren tatsächlich einen Anlass für die Berichterstattung gab und dessen für Kachelmann negative Folgen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht allein der Bild-Zeitung angelastet werden können. Daneben hat der Senat aber auch den Verbreitungsgrad der Medien Springers, die Nachhaltigkeit der Rufschädigung und, insbesondere in den Fällen vorsätzlicher Persönlichkeitsrechtsverletzung, den Präventionsgedanken und die Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung berücksichtigt.
Die Revision zum Bundesgerichtshof haben die Kölner Richter nicht zugelassen. Ihre Entscheidung kann daher nur noch mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden.
acr/pl/LTO-Redaktion
Anm. d. Red.: Ergänzung eingefügt kurz nach Veröffentlichung des Artikels, 12.Juli, 14:30 Uhr
OLG Köln verringert Entschädigung für Jörg Kachelmann: Springer muss "nur" noch 395.000 Euro zahlen . In: Legal Tribune Online, 12.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19968/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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