OLG Hamm prüft "Zettel-Testamente": Nur ein kleines Stück Papier

06.01.2016

Theoretisch kann ein gültiges Testament auch auf einem Blatt Toilettenpapier verfasst werden. Praktisch kann es bei ungewöhnlichen Schreibunterlagen allerdings Zweifel am Testierwillen geben, so ein Beschluss des OLG Hamm.

Ein ernsthafter Testierwille ist nicht feststellbar, wenn das vermeintliche Testament auf einem Stück Papier oder einem zusammengefalteten Pergamentpapier errichtet worden ist. Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem jetzt veröffentlichten Beschluss die Vorinstanz darin bestätigt, die Ausstellung eine Erbscheins zu verweigern (Beschl. v. 27.11.2015, Az. 10 W 153/15).

Die 2013 im Alter von 102 Jahren verstorbene, verwitwete Erblasserin war Eigentümerin eines Hausgrundstücks. Sie hinterließ eine Tochter und vier Enkel. Letztere stammen vom im Jahr 2009 vorverstorbenen Sohn H. der Erblasserin ab. In der Annahme, gültige Testamente der Erblasserin in den Händen zu haben, aus denen sich eine Erbeinsetzung von H. ergebe, legten die Enkel 2014 zwei Schriftstücke aus dem Jahr 1986 vor.

Bei einem dieser Schriftstücke handelte es sich um einen etwa acht mal zehn Zentimeter großen, per Hand ausgeschnittenen Zettel mit der handschriftlichen Aufschrift "Tesemt // Haus // Das für H.". Unter diesen Informationen folgte die Angabe "1986" und ein Schriftzug mit dem Nachnamen der Erblasserin. Das zweite Schriftstück war ein mehrfach gefaltetes Stück Pergamentpapier, das dieselben Angaben in leicht veränderter Anordnung enthielt. Auf der Grundlage dieser Dokumente beantragten die vier Enkel einen sie als Miterben ausweisenden Erbschein.

Kein Erbschein wegen erheblicher Zweifel am Testierwillen

Das OLG Hamm entschied, dass das Amtsgericht (AG) Lübbecke den Erbscheinantrag zu Recht zurückgewiesen hatte. Es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei den beiden Schriftstücken um letztwillige Verfügungen der Erblasserin handele. Die Errichtung eines Testaments setze den ernstlichen Testierwillen voraus, eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen zu wollen. Bloße Entwürfe eines Testaments reichten hingegen nicht aus.

Erhebliche Zweifel folgten schon aus dem Umstand, dass die vermeintlichen Testamente nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und einem gefalteten Bogen Pergamentpapier geschrieben worden waren. Auch die äußerliche und inhaltliche Gestaltung sei ein ernst gemeintes Testament ebenfalls fraglich. Die Überschrift enthalte gravierende Schreibfehler, im Text fehle ein vollständiger Satz. Dabei sei die Erblassering der deutschen Sprache in Schrift und Grammatik hinreichend mächtig gewesen.

Gegen das Vorliegen eines Testaments spreche zudem der Umstand, dass beide Schriftstücke auf das Jahr 1986 datiert sind. Ein Grund für die Errichtung von zwei nahezu inhaltlich identischen Testamenten innerhalb eines Jahres sei nicht ersichtlich. Das Vorliegen der einander sehr ähnlichen Schriftstücke spreche vielmehr dafür, dass es sich lediglich um Entwürfe handele. Schließlich seien die Schriftstücke mit diversen unwichtigen und wichtigen Unterlagen ungeordnet in einer Schatulle aufbewahrt worden. Das habe nicht bewusst geschehen müssen, vielmehr habe die Erblasserin die zwei Papiere auch lediglich vergessen haben können.

Der Umstand, dass die Verstorbene in der Folgezeit kein weiteres abweichendes oder klarstellendes Testament errichtet habe, sei ebenfalls nicht aussagekräftig. Hierzu hätte aus Sicht der Erblasserin nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich bei den beiden Schriftstücken bereits um Testamente gehandelt hätte. Gerade dies sei aber nicht sicher festzustellen.

ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Hamm prüft "Zettel-Testamente": . In: Legal Tribune Online, 06.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18033 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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