OLG Hamm zur Haftungsquote bei Verkehrsunfall: Es heißt eben nur Richt­ge­schwin­dig­keit

08.03.2018

Wer auf einer Autobahn ohne Tempolimit ordentlich Gas gibt, erhöht damit zwar das Risiko, im Zweifel nicht mehr schnell genug reagieren zu können. Anteilig haften muss er bei einem Unfall deshalb aber nicht zwangsläufig, so das OLG Hamm.

Schulterblick beim Spurwechsel ist Pflicht, eine moderate Geschwindigkeit dagegen nicht. So sehen es der Gesetzgeber und auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Fährt jemand mit hoher, aber erlaubter Geschwindigkeit auf der Autobahn, so haftet er nicht anteilig, wenn er durch einen anderen Verkehrsteilnehmer in einen Unfall verwickelt wird, entschied der 7. Senat in einem nun bekannt gewordenen Beschluss (v. 08.02.2018, Az. 7 U 39/17).

Hintergrund war ein Autobahnunfall, bei dem ein 45-jähriger Dacia-Fahrer plötzlich und ohne zu blinken von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt war, als ein 30-Jähriger am Steuer eines Seat auf selbiger mit Tempo 150 angeschossen kam. Der hatte keine Chance mehr zu reagieren. Um den Schaden in Höhe von mehreren Tausend Euro lieferte man sich in der Folge einen Rechtsstreit.

Das Landgericht (LG) Essen machte bereits den Fahrer des Dacia als allein Verantwortlichen für den Unfall aus, womit der Schaden an ihm hängen blieb. In der Berufung vor dem OLG Hamm argumentierte der Mann nun, aufgrund der Tatsache, dass der Unfallgegner mit einem Tempo deutlich oberhalb der empfohlenen Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde gefahren sei, hafte dieser zu einem Viertel mit. Dieser Auffassung folgte der Senat allerdings nicht und wies die Berufung zurück.

OLG: "Maßvolle Überschreitung" der Richtgeschwindigkeit ist nicht gefährlich

Das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit begründe keine Mithaftung, führten die Hammer Richter aus. Der Mann im Dacia* habe unachtsam gehandelt und sei trotz freier Fahrbahn und ohne den rückwärtigen Verkehr zu beobachten einfach auf die linke Spur gezogen, womit ihn ein "erhebliches Verschulden" treffe. Der heranfahrende Unfallgegner habe mit dem plötzlichen Ausscheren nicht rechnen müssen.

Die Geschwindigkeit auf dem Autobahn-Stück, auf dem sich der Unfall ereignete, unterlag zudem keiner Geschwindigkeitsbegrenzung, wie das Gericht erklärte. Die Geschwindigkeit des Mannes im Seat, die er selbst mit 150 Kilometern pro Stunde angab, befanden man auch angesichts der Straßen- und Sichtverhältnisse am Unfallort nicht als unangemessen hoch. 

Nach Ansicht des Senats fällt die Betriebsgefahr des Seat in der Verschuldensabwägung damit nicht ins Gewicht. Es habe sich nur um eine "maßvolle Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 20 Kilometer pro Stunde" gehandelt, welche in dieser Situation keine erhöhte Gefahr begründet habe. Zudem habe der Fahrer darauf vertrauen dürfen, dass der Mann auf der rechten Spur nicht ohne Grund einfach ausscheren würde.

*Klarstellung am Tag der Veröffentlichung, 15.34 Uhr.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Hamm zur Haftungsquote bei Verkehrsunfall: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27411 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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