Einen Mann blenden die Dachpfannen seines Nachbarn angeblich so stark, dass er nur noch mit gesenktem Kopf durch sein Wohnzimmer laufen kann. Das OLG Hamm zu der Frage, wie stark Dachpfannen das Licht reflektieren dürfen.
Die Wesentlichkeit der Blendwirkung von Dachpfannen ist nicht schematisch, sondern nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Dazu ist im Regelfall die Durchführung eines Ortstermins erforderlich, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit am Donnerstag veröffentlichtem Urteil entschied (Urt. v. 09.07.2019, Az. 24 U 27/18).
Die Entscheidung geht auf einen Nachbarschaftsstreit aus Menden zurück. Dort hatte ein Grundstückseigentümer das Dach seines Hauses mit hochglänzend glasierten Dachpfannen eingedeckt. Für den Nachbarn wurde das zum Ärgernis: Vor Gericht gab er an, dass die Reflexionen der Dachziegel ihn so stark blendeten, dass er seinen Garten sowie Wohn- und Esszimmer nur noch eingeschränkt – nämlich nur noch mit gesenktem Kopf – nutzen könne. Er klagte deswegen und verlangte, dass der Grundstückseigentümer die Blendwirkung seiner Dachpfannen verhindert.
Das Landgericht (LG) Arnsberg hatte der Klage noch teilweise stattgeben. Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass von dem Dach zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten eine nicht mehr zumutbare Blendwirkung mit einer Leuchtwirkung von über 100.000 Candela pro Quadratmeter ausgeht. Das LG verpflichtete den Beklagten dazu, Blendwirkungen von 100.000 Candela oder höher zu verhindern.
OLG hält Ortsbegehung für nötig
Dem klagenden Nachbarn ging das aber nicht weit genug. Mit seiner Berufung vor dem OLG wollte er erreichen, dass sein beklagter Nachbar die von dessen Dach ausgehende Blendwirkung insgesamt zu verhindert hat. Damit hatte er bei den Hammer Richtern aber keinen Erfolg. Das LG habe einen über die Verurteilung hinausgehenden Anspruch des klagenden Mannes zu Recht verneint. Das Grundeigentum des Klägers werde durch die Lichtreflexionen nur unwesentlich beeinträchtigt, so der Senat. Der klagende Mann sei daher verpflichtet, die von den Dachpfannen ausgehenden Reflexionen zu dulden, die unter der festgestellten Intensität von 100.000 Candela pro Quadratmeter liegen.
Verbindliche Richtwerte, bei deren Überschreitung eine wesentliche Beeinträchtigung indiziert wäre, gebe es soweit ersichtlich nicht, betonte das OLG. Maßgeblich für die Beurteilung der Wesentlichkeit sei daher das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, wobei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls wie die Dauer der Blendwirkung, die Intensität der Lichtreflexe und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Nutzung des betroffenen Grundstücks abzustellen sei. Deshalb könne nicht grundsätzlich von einer Erheblichkeit ab einer Lichtstärke von 100.000 Candela pro Quadratmeter ausgegangen werden.
Anders als noch das Landgericht hatte der OLG-Senat einen Ortstermin für notwendig gehalten, um sich einen eigenen Eindruck vor Ort von den Auswirkungen der Lichtreflexe zu verschaffen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen und den Eindrücken beim Ortstermin könne eine wesentliche Beeinträchtigung durch die Dachpfannen auch bei einer Intensität von unter 100.000 Candela pro Quadratmeter in diesem Fall nicht angenommen werden, so das OLG in seiner Mitteilung.
acr/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu glasierter Hausbedeckung: . In: Legal Tribune Online, 25.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36707 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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