Nach einem Massaker in einer ruandischen Kirche ist ein früherer afrikanischer Bürgermeister in Frankfurt zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Es ist das erste Urteil eines deutschen Gerichts zur Schuld an einem Massaker während des Völkermordes in Ruanda. Der Mann habe seine Anhänger vor 20 Jahren zu dem Blutbad in der Ortschaft Kiziguro aufgestachelt und sich damit der Beihilfe zum Völkermord schuldig gemacht, urteilte das Frankfurter OLG.
Ursprünglich hatte sich der afrikanische Staatsangehörige seit Januar 2011 wegen Völkermordes vor dem Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) zu verantworten. Dafür sah der Staatsschutzsenat aber "keine für eine Verurteilung ausreichenden Anhaltspunkte". Gleichwohl habe er die Hinrichtungen in der Kirche beobachtet, den Befehl zum Angriff auf das umstellte Gotteshaus gegeben und auch den Transport der Leichen zu einer nahe gelegenen Grube organisiert, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel und verurteilte den Mann wegen Beihilfe zum Völkermord (Urt. v. 18.02.2014, Az. 5-3 StE 4/10 - 4 - 3/10).
Während die Verteidigung Zweifel an der Zuverlässigkeit der Belastungszeugen äußerte, bezeichnete der Richter deren Aussagen als "stimmig und detailreich". In den wesentlichen Punkten hätten sie trotz der lange zurückliegenden Tat übereingestimmt. Auch habe es keine schlüssigen Hinweise gegeben, dass Zeugen in Ruanda beeinflusst wurden. "Die ruandische Regierung hat gar kein besonderes Interesse an einer Verurteilung des Angeklagten."
Urteil mit Signalwirkung
Das Massaker wurde vor einem deutschen Gericht verhandelt, weil der angeklagte Mann aus Ruanda geflohen war und 2002 in Hessen Asyl beantragt hatte. Der mit internationalem Haftbefehl aus Ruanda gesuchte Afrikaner wurde nicht ausgeliefert, weil ein faires Strafverfahren in dem Staat als nicht gewährleistet gilt. Wegen der umfangreichen und schwierigen Beweisaufnahme war das Verfahren sehr aufwändig und langwierig. Es gilt als eines der längsten Strafverfahren der hessischen Justizgeschichte und hat bisher Kosten von mehreren Hunderttausend Euro verursacht.
Nach der eineinhalbstündigen Urteilsverkündung sprach einer der Anklagevertreter von einem "Signal", das von diesem Urteil ausgehe: "Deutschland ist kein Rückzugsgebiet für Kriegsverbrecher, Völkermörder und Menschlichkeitsverbrecher", sagte Staatsanwalt Jasper Klinge. Sie müssten auch nach Jahrzehnten noch mit konsequenter Strafverfolgung rechnen. Die Anklage ist der besonderen Möglichkeit einer weltweiten Strafverfolgung zu verdanken.
Auch Amnesty International begrüßte das Urteil. "Das Frankfurter Verfahren hat gezeigt, dass rechtsstaatliche Verfahren wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen in Deutschland möglich sind", sagte der Amnesty-Experte für Völkerstrafrecht, Patrick Kroker.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidigerin Natalie von Wistinghausen kündigte dagegen Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) an. Sie hatte Freispruch beantragt.
Ein weiteres Verfahren wegen Kriegsverbrechen läuft derzeit noch vor dem OLG Stuttgart.
dpa/age/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt zu Kirchen-Massaker in Ruanda: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11040 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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