Nach einem Beschluss des OLG Frankfurt vom Freitag darf die Blutprobe eines mutmaßlichen Verkehrssünders auch dann gerichtlich verwertet werden, wenn ein Polizeibeamter sie ohne richterliche Entscheidung angeordnet hat. Es sei jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt kam zu dem Schluss, dass ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme darstelle. Deshalb sei es nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen. Zwar habe der Beamte, indem er die Blutuntersuchung ohne richterliche Anordnung vornehmen ließ, gegen ein Beweiserhebungsverbot verstoßen. Allerdings spreche die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter gegen ein Verwertungsverbot (Beschl. v. 04.11.2011, Az. 2 Ss-OWi 887/10).
Nach Auffassung der Richter stellte die Blutentnahme eine lediglich geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar. Diesem Eingriff stehe das erhebliche öffentliche Interesse an der Abwendung einer Gefährdung durch in der Fahrtüchtigkeit eingeschränkte Verkehrsteilnehmer gegenüber. Dieses überwiege, wenn die Durchführung der Maßnahme nicht auf einer bewusst fehlerhaften beziehungsweise objektiv willkürlichen Annahme der Eingriffsbefugnis durch den Polizeibeamten beruht.
Widerspruch zu OLG Koblenz
Das OLG bestätigte mit der Entscheidung die Verurteilung eines Autofahrers zu einer Geldbuße von 1.000 Euro. Das Amtsgericht (AG) Gießen hatte den Autofahrer wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr unter Wirkung eines berauschenden Mittels schuldig gesprochen, weil er unter Cannabis-Einfluss gefahren war. Dabei hatte es sich auf das Ergebnis einer Blutprobe gestützt, die ein Polizist angeordnet hatte, ohne einen Beschluss des zuständigen Richters zu erlangen. Dies wäre aber ohne weiteres möglich gewesen.
Das OLG Frankfurt sah das Ergebnis der Blutprobe trotzdem als verwertbar an. Es setzte sich damit in Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Koblenz (Beschl. v. 21.09.2011, Az. 2 SsBs 32/11). Die Koblenzer Richter hatten die Anordnung der Blutprobe durch einen Polizisten noch als einen gravierenden Rechtsverstoß gewertet, der grundsätzlich zu einem Verwertungsverbot des Untersuchungsergebnisses führe. Nach ihrer Auffassung kenne die Strafprozessordnung keine Wahrheitsfindung "um jeden Preis".
Mit Material von dpa.
asc/LTO-Redaktion
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OLG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4731 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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