Die Vorinstanz hatte dem eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßenden Magnus Gäfgen eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen, weil Polizeibeamte angedroht hatten, ihm erhebliche Schmerzen zuzufügen, um so den Aufenthaltsort des entführten Jakob Metzler in Erfahrung zu bringen. Das OLG Frankfurt wies am Mittwoch die Berufung des Landes Hessens gegen die Entscheidung zurück.
Das Oberlandesgericht (OLG) sah keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zu den Geschehnissen. Die Androhung, dem mittlerweile 37-Jährigen erhebliche Schmerzen zuzufügen, verstoße gegen das Verbot der Drohung mit Misshandlung sowie gegen das Verbot, festgenommene Personen körperlich oder seelisch zu misshandeln, bestätigte der Senat die landgerichtliche Ansicht.
Das Verhalten der beiden Polizeibeamten sei - auch wenn sie damit das Leben des Kindes retten wollten - weder polizeirechtlich noch strafrechtlich gerechtfertigt oder entschuldigt. Die beiden Polizeibeamten hätten sich damit strafbar gemacht, das Land habe für ihre schuldhafte Amtspflichtverletzung einzustehen (Urt. v. 10.10.2012, Az. 1 U 201/11).
Die Frankfurter Richter mussten bei ihrer Entscheidung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) berücksichtigen, welches Gäfgen erwirkt hatte. Danach hatte die Androhung erheblicher Schmerzen gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen. Der EGMR hatte in der Vernehmungsmethode eine unmenschliche Behandlung im Sinne der genannten Vorschrift gesehen.
Nicht genug Genugtuung: 3.000 Euro sind erforderlich
Auch bei der Höhe der Geldentschädigung bestätigte das OLG die Vorinstanz. Trotz der achtenswerten Beweggründe der beiden Polizeibeamten hätten die zwischenzeitlich ergangenen innerstaatlichen Maßnahmen, insbesondere das Strafurteil gegen die beiden Gewalt androhenden Beamten, noch keine hinreichende Genugtuungsfunktion gehabt, um den Verstoß gegen Art. 3 EMRK auszugleichen. Dieser müsse eine spürbare Folge haben, befanden auch die OLG-Richter.
Eine weitere Genugtuung könne nur durch Zuerkennung einer der Höhe nach symbolischen Geldentschädigung erfolgen. Wäre eine solche Geldentschädigung nicht zuerkannt worden, würde nach dem genannten Urteil des EGMR der Verstoß gegen Art. 3 EMRK fortbestehen und könnte von Gäfgen erneut gerügt werden.
Dieser hatte seinerseits keine Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt, mit dem ihm statt der beantragten 10.000 nur 3.000 Euro zugesprochen worden waren.
Insolvent, aber weiterhin aktivlegitimiert
Weiterhin nicht ganz klar ist, ob Magnus Gäfgen, der Privatinsolvenz angemeldet hat, über das Geld selbst wird verfügen können. Vor der Urteilsverkündung am Mittwoch prüfte der Senat nach Angaben des Pressesprechers des OLG noch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Dienstag. Die Bundesrichter hätten bestätigt, dass Gäfgens Forderung gegen das Land Hessen zur Insolvenzmasse gezogen wird.
Für das Verfahren in Frankfurt spielte das keine unmittelbare Rolle. Die OLG-Richter stellten allerdings fest, dass Gäfgen wegen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht etwa seine Aktivlegitimation verloren habe: Der von ihm geltend gemachte Entschädigungsanspruch sei ein unpfändbarer und höchstpersönlicher.
Jedenfalls das Entschädigungsverfahren des Juristen Gäfgen damit ein Ende gefunden haben. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen, weil der Senat die maßgeblichen Rechtsfragen als durch das EGMR-Urteil geklärt ansieht.
pl/tko/LTO-Redaktion mit Materialien von dpa
OLG Frankfurt bestätigt Entschädigung: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7285 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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