OLG Frankfurt am Main: Dem gekauften Gaul guckt man besser genau ins Maul

27.09.2021

Eine Reiterin kaufte ein Pferd, mit dem sie an Turnieren teilnehmen wollte. Später erkannte sie eine Vernarbung an den Mundwinkeln des Tieres und wollte vom Vertrag zurücktreten. Dafür sah das OLG allerdings keinen Grund.

Hat ein Pferd Vernarbungen im Maulwinkel, spricht das für sich allein nicht für eine chronische Erkrankung, da solche Verletzungen jederzeit beim Reiten entstehen könnten. Es lässt sich daher nicht auf eine Erkrankung bei Gefahrübergang schließen. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) in einem am Montag veröffentlichten Urteil entschieden (Urt. v. 14.9.2021, Az. 6 U 127/20).

Die klagende Reiterin kaufte im Januar 2015 von dem beklagten Zucht- und Ausbildungsstall für Reitpferde ein Tier für 65.000 Euro, das sie als Dressurpferd für Turniere reiten wollte. Der Hengst, der als Pferd mit sportlicher Perspektive vorgestellt wurde, war einer ärztlichen Untersuchung unterzogen worden, die Reiterin hatte ihn auch Probe geritten.

Im April des gleichen Jahres wandte sich die Reiterin dann jedoch mit ihrem neuen Pferd an eine Tierärztin. Der Hengst machte Probleme bei der Anlehnung, also der Verbindung zwischen Pferdemaul und Reiterhand. Diagnose der Tierärztin: Das Pferd hatte einen offenen rechten Maulwinkel und ein Überbein der linken Lade, dem zahnfreien Raum im Gebiss eines Pferdes, in den die Trense gelegt wird.

Zwei Jahre später brachte die Reiterin das Pferd auf Kommission zurück in den Zucht- und Ausbildungsstall, in dem sie es gekauft hatte, und trat im Oktober 2017 schließlich vom Kaufvertrag zurück. Dies begründete sie damit, dass das Pferd das Überbein in der Lade und die Vernarbungen in der Mundhöhle bereits bei Gefahrübergang gehabt hätte. Diese Vorerkrankungen seien nun die Ursache für die Probleme beim Reiten.

Pferde sind Lebewesen und können sich unvorhergesehen entwickeln

Damit scheiterte die Reiterin jedoch bereits vor dem Landgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 28.5.2020, Az. 2/14 O 62/18) und hatte nun auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das Gericht konnte keinen Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs feststellen. Von den Parteien sei keine Beschaffenheitsvereinbarung beispielsweise im Hinblick auf die "Rittigkeit" des Pferdes oder die Eignung für bestimmte Turnierklassen vereinbart gewesen.

Allein aus der Aussage des Zucht- und Ausbildungsstalls, dass das Pferd sportliche Perspektiven hätte, lasse sich nämlich noch keine Gewährübernahme für diese Perspektive ableiten. Das OLG begründete: "Es liegt in der Natur der Sache, dass Entwicklungsprognosen beim lebendigen Tier unsicher und letztlich spekulativ sind und der Verkäufer ohne ausdrückliche Absprache hierfür keine Gewähr übernimmt."

Der Verkäufer habe lediglich dafür einzustehen, stellte das Gericht fest, dass das Pferd nicht krank oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig krank sei. Dafür reiche nicht aus, dass das Tier nicht "in jeder Hinsicht einer biologischen und physiologischen 'Idealnorm' entspricht". Tiere, so das Gericht, seien Lebewesen, die sich als solche ständig entwickelten und mit "individuellen Anlagen" ausgestattet seien. "Bloße Widersetzlichkeiten ('Rittigkeitsmängel') stellen daher regelmäßig keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit dar", so das OLG.

Der Hengst sei entsprechend auch nicht krank und außerdem als Dressurpferd auch nicht völlig ungeeignet. Die Probleme mit der Anlehnung stellten zudem keinen Mangel dar, da sie auch auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden könnten.

Schließlich stellte das Gericht noch klar, dass die festgestellten Befunde – offene Mundwinkel, knöcherne Veränderungen an der linken Lade und eine Hautläsion im Bereich des Unterkiefers – zwar Mängel sein könnten. Es sei im vorliegenden Fall jedoch davon auszugehen, dass diese Umstände zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorgelegen hätten. Denn zum einen sei das Tier am Tag der Übergabe untersucht worden und zum anderen habe die klagende Reiterin dem Stall auch zwei Jahre nach dem Kauf noch mitgeteilt, dass sich ihr Hengst in "Topform" befinde.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt am Main: . In: Legal Tribune Online, 27.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46125 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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