Kinder brauchen viel Zuwendung und dies ganz besonders, wenn sie Schlimmes erlebt haben: Dieses Bedürfnis stellten die Richter am OLG Frankfurt über den Wunsch einer IS-Rückkehrerin, die ihre Kinder bei der Großmutter versorgt wissen wollte.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hat den Entzug des Sorgerechts für die vier Kinder einer Rückkehrerin der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für rechtmäßig erklärt (Beschl. v. 19.5.2020, Az. 4 UF 82/20, 4 UF 85/20). In der am Montag veröffentlichten Entscheidung begründete das Gericht die Unterbringung der Kinder im Alter von einem bis vier Jahren in Bereitschaftspflegefamilien mit einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls.
Die Mutter der Kinder, die die deutsche und die syrische Staatsbürgerschaft besitzt, war Ende 2014 nach Syrien ausgereist, um sich dem IS anzuschließen. 2019 ist sie in die Türkei geflohen. Im Zuge ihrer Abschiebung wurde sie im Dezember am Frankfurter Flughafen bei der Ankunft festgenommen, ihre Kinder kamen dabei in Obhut des Jugendamtes. Die inhaftierte Mutter erhob dagegen Beschwerde und forderte, dass die Kinder von ihrer Großmutter betreut werden.
Dieser Wunsch widerspricht aus Sicht des OLG zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch dem Kindeswohl. Dass die Großmutter selbst unter Betreuung stehe, sei nicht das einzige Argument, was gegen eine Betreuung bei dieser spräche. Hinzu komme auch, dass die Kinder die Großmutter bis jetzt nicht persönlich kennen gelernt hätten und zum anderen bedürfe die Aufnahme der vier Kinder umfangreicher Vorbereitungen, so die Richter.
Es sei zudem davon auszugehen, "dass alle Kinder nicht nur aufgrund ihres geringen Alters, sondern auch aufgrund des Erlebens von Krieg und Flucht einen erhöhten Bedarf an Zuwendung und Aufmerksamkeit haben." Bei einem Wechsel der Kinder in den Haushalt der Großmutter seien eine Überforderung der Kinder und der Großmutter sowie daraus drohende schwere Schäden für die seelische Entwicklung der Kinder zu vermeiden. Es müsse vorab geklärt werden, wie die Kinder in der Wohnung der Großmutter untergebracht würden, wie der Kontakt zur Großmutter angebahnt werde und welche Hilfen sie bei der Versorgung der Kinder erhalte.
Die Gesinnung der Mutter der Kinder sei für die Entscheidung unerheblich gewesen, sie befinde sich in Haft und stehe zur Versorgung der Kinder ohnehin nicht zur Verfügung.
dpa/vbr/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42106 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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