Ein Unternehmen stellte Anrufern von Sexhotlines Rechnungen. Die wussten, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gab. Dennoch könne ein Betrug vorliegen, weil die Anrufer darüber irrten, Schwierigkeiten zu kriegen, so ein OLG.
Macht sich ein Unternehmen wegen versuchten Betrugs strafbar, wenn es gezielt unberechtigte Rechnungen und Mahnungen verschickt - und der Adressat weiß, dass es für die Rechnungen keine Grundlage gibt? Nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main möglicherweise schon. Nämlich dann, wenn der Adressat gleichwohl zahle, weil es "lästig" sei und er seine "Ruhe" haben wolle (Beschl. v. 09.10.2018, Az. 2 Ws 51/17).
Konkret geht es um ein Unternehmen, das Anrufern von Sexhotlines Rechnungen gestellt haben soll, selbst wenn diese noch vor der Inanspruchnahme der eigentlichen Dienstleistung aufgelegt hätten, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anrufer bei der Hotline seien, so die Anklage, darauf hingewiesen worden, dass die kostenpflichtige Dienstleistung mit 90 Euro berechnet werden würden, wenn der Anrufer nicht innerhalb von 40 Sekunden auflege. Das Unternehmen habe aber auch den Anrufern Rechnungen gestellt, die vorher auflegten. Zahlten die Anrufer die geforderte Summe nicht, machte das Unternehmen laut Staatsanwaltschaft mit einem ausgeklügelten Mahnsystem, basierend auf Täuschungen und Drohungen, Druck.
Das Landgericht (LG) Fulda hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, weil die Adressaten der Rechnungen sich nicht über ihre Zahlungspflicht geirrt hätten. Sie hätten vielmehr gewusst, dass sie nicht gebührenpflichtig telefoniert hätten und die Rechnungen damit unberechtigt gewesen seien. Und ohne Irrtum kein Betrug.
OVG: Über die Möglichkeiten geirrt, Schwierigkeiten zu kriegen
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Fulda hin hat das OLG das Tatgeschehen aber als banden- und gewerbsmäßigen Betrug bewertet und das Verfahren vor dem LG eröffnet. Nach Auffassung der Frankfurter Richter kann der Betrugstatbestand auch dann erfüllt sein, wenn Täter und Opfer wüssten, dass die geltend gemachte Forderung nicht berechtigt sei, das Opfer aber gleichwohl zahle, weil "es seine Ruhe haben will" oder "es ihm egal ist".
Es komme, so der 2. Strafsenat, entscheidend darauf an, warum es den Betroffenen "lästig" gewesen sei und sie ihre "Ruhe" haben wollten. Bei den Rechnungen für die Sexhotline hätten sie gezahlt, da die Forderung so niedrig gewesen sei, dass sie den Aufwand scheuten, die falsche Forderung zu widerlegen. Sie irrten also nach Ansicht der Frankfurter Richter täuschungsbedingt darüber, dass die angeklagten Betreiber der Agentur über die Möglichkeit verfügten, ihre Forderungen durchzusetzen bzw. ihnen zumindest Schwierigkeiten zu machen.
Insbesondere hätten die Anrufer die Sache auch nicht allein "nur aussitzen müssen". Schließlich hätten die angeklagten Betreiber der Sexhotline sie mit ihrem Mahnsystem gerade nicht in Ruhe gelassen. Aus Sicht der Anrufer hätte es, so der Senat, mehr gekostet, den Irrtum über die Möglichkeiten der Betreiber, íhre Drohung tatsächlich umzusetzen, auszuräumen, als die Forderung zu begleichen. Genau auf diesen Effekt kam es dem Unternehmen laut dem OLG an.
mgö/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt a.M. zum Betrug ohne Irrtum: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31875 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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