Am Montagnachmittag debattierte der Bundestag über den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses. Parteiübergreifend übten die Fraktionen scharfe Kritik an den Sicherheitsbehörden und appellierten zugleich an die kommende Bundesregierung, für notwendige Reformen zu sorgen.
Auf rund 1.350 Seiten werden im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss die Versäumnisse und Verfehlungen der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur NSU-Mordserie aufgearbeitet. Fast 50 Reformvorschläge hat der aus elf Bundestagsabgeordneten bestehende Ausschuss erarbeitet. Diese sollen von der neuen Bundesregierung schnellstmöglich umgesetzt werden, so die einhellige Forderung aller Fraktionen.
Aus Sicht des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) haben vor allem das von Konkurrenz geprägte Verhältnis der Behörden, die Unterschätzung des Gewaltpotentials der rechten Szene und die nicht ergebnisoffen und vorurteilsfrei geführten Ermittlungen dazu geführt, dass der rechtextreme Hintergrund der NSU-Mordserie erst so spät erkannt wurde.
Bundestagspräsident entschuldigt sich für "haltlose Verdächtigungen"
Für eben jene vorurteilbehafteten Ermittlungen und "haltlosen Verdächtigungen" entschuldigte sich Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Beginn der Debatte im Namen des Parlaments bei den Opfern und ihren Angehörigen.
Von einer "bedrückenden Niederlage" der Sicherheitsinstanzen sprach auch Stephan Stracke (CSU). Der Vizevorsitzende des Ausschusses betonte jedoch, es habe keine "Kumpanei" zwischen Behörden gegeben. Zudem existierten keine Hinweise darauf, dass das Trio um Beate Zschäpe zum Kreis der V-Leute gehört habe.
Srukturelles Versagen der Behörden
Nach Ansicht des Abgeordneten Clemens Binninger (CDU) hat die Mordserie die Grenzen der föderalen Behörden-Strukturen aufgezeigt. Er griff die Forderung des Berichts auf, bei bedeutsamen länderübergreifenden Delikten eine zentrale ermittlungsführende Stelle zu schaffen.
Ähnlich äußerte sich auch SPD-Obfrau Eva Högl, die von einem "flächendeckenden Versagen" der Sicherheitsbehörden sprach und die Gründe hierfür in "strukturellen Ursachen" sah. Högl sprach sich zudem für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle bei der Polizei aus. Sie zeigte sich "verärgert", dass viele Zeugen es abgelehnt hätten, Fehler einzugestehen und Verantwortung zu übernehmen.
Verfassungsschutz in der Kritik
Eine Geheimdienstreform an "Haupt und Gliedern" verlangte Hartfrid Wolff. Aus Sicht des FDP-Obmanns benötigt der Generalbundesanwalt mehr Zuständigkeiten. Der Einsatz von V-Leuten müsse rechtsstaatlich besser verankert werden. Wolff plädierte überdies dafür, die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste auszuweiten.
Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte, dass die Behörden auf dem rechten Auge "betriebsblind" gewesen seien. Er konstatierte "Arbeitsverweigerung an höchster Stelle" und forderte, das Bundesamt für Verfassungsschutz aufzulösen und neu aufzubauen.
"Wir haben in staatliche Abgründe geblickt", bilanzierte Petra Pau die Arbeit des Ausschusses. Aus Sicht der Obfrau der Linksfraktion stehen die Verfassungsschutzämter im "Zentrum des Versagens". Sie machte sich dafür stark, die V-Leute-Praxis aller Geheimdienste zu beenden und den Verfassungsschutz aufzulösen.
mbr/LTO-Redaktion
Plenum diskutiert Bericht des U-Ausschusses zum NSU: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9480 (abgerufen am: 12.11.2024 )
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