Nach der Entscheidung des BVerfG: Keine Staats­gelder mehr für die NPD?

20.01.2017

Karlsruhe hat die NPD nicht verboten, ihr aber Verfassungsfeindlichkeit bescheinigt. Nun wollen Spitzenpolitiker die Finanzierung der Partei prüfen lassen. Verfassungsrechtler haben Bedenken.

Nach dem NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wollen Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern die Parteienfinanzierung für die Rechtsextremisten zügig auf den Prüfstand stellen. So sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der Rheinischen Post: "Steuermittel für die NPD sind eine staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze." Ähnlich äußerte sich die Bundesratspräsidentin und rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD).

Zum zweiten Mal nach 2003 waren die Länder am Dienstag in Karlsruhe mit einem Verbotsantrag gegen die NPD gescheitert. Die Partei sei verfassungsfeindlich, aber auch zu unbedeutend, um sie gleich aufzulösen, entschied das BVerfG. Es wies aber auf "andere Reaktionsmöglichkeiten" hin, etwa den Entzug der Parteienfinanzierung. Dies habe jedoch nicht das Gericht zu entscheiden, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber. Um die rechtsextreme Partei von staatlichen Geldern auszuschließen, wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig.

"Wir sollten die Andeutung des Bundesverfassungsgerichts zum Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung ernst nehmen und entsprechende Möglichkeiten sehr sorgfältig prüfen", so Maas. Dreyer will, wie die Mainzer Regierungssprecherin Andrea Bähner mitteilt, den Bund klären lassen, ob es für verfassungsfeindliche Parteien wie die NPD Sonderregeln geben könne.

NPD kassierte 2016 nur gegen Sicherheitsleistung

Dass dies geschehen wird, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits kurz nach dem Karlsruher Urteil angekündigt: "In seiner Einführung hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts auch Handlungsspielräume des verfassungsändernden Gesetzgebers bei der Parteienfinanzierung angedeutet. Das werde ich jetzt sorgfältig prüfen lassen."

Parteien bekommen staatliche Unterstützung, wenn sie bei der jüngsten Bundestags- oder Europawahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer Landtagswahl 1,0 Prozent der Stimmen erhalten haben. Für jede ihrer ersten vier Millionen Stimmen ist es ein Euro, für jedes weitere Votum werden 83 Cent fällig.

Das gilt auch für die NPD. Allerdings gewährte die Verwaltung des Bundestags ihr die ersten Abschlagszahlungen für das Jahr 2016 nur gegen Sicherheitsleistung, weil das Verbotsverfahren gegen die Partei lief und sie noch in dem Jahr verboten werden könnte, so das Argument. Die NPD musste eine Grundschuld auf ihre Berliner Parteizentrale abtreten. Ihr Antrag auf Rückübertragung scheiterte im einstweiligen Rechtsschutz, das BVerfG sah keinen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen schweren Nachteil, auch ihren finanziellen Bedarf für die Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlichen Aufgaben habe die NPD nicht hinreichend konkret beziffert und nicht belegt, dass sie hierfür nicht über ausreichende Mittel verfüge.

Die Sorge: Ausschalten politischer Konkurrenz?

Gegen einen Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung sprach sich nicht nur die Linkspartei aus. "Wenn man versuchen würde, so einen politischen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen - das wäre politisch zweifelhaft", sagte der Innenpolitiker Frank Tempel. Zudem könne eine solche gesetzliche Regelung künftig auch andere Parteien treffen.

Auch Verfassungsrechtler bezweifeln, dass es eine gute Idee wäre, verfassungsfeindlichen Parteien, die nur wegen Bedeutungslosigkeit nicht verboten werden, die Finanzierung zu kürzen. Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim fürchtet, "dass eine solche Verfassungsänderung nicht auf die NPD beschränkt bleiben würde, sondern dass sie auf alle Parteien ausgedehnt werden könnte, die nicht im Parlament sitzen". Damit würden jedoch zwei Urteile des BVerfG von 1966 und 1968 ausgehebelt, wonach Parteien außerhalb des Parlaments an der Finanzierung beteiligt werden, sagte der Wissenschaftler aus Speyer der Deutschen Presseagentur. Ferner würde der NPD bei einem Entzug der Staatsgelder mit viel Aufwand eine Opferrolle zugespielt.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Dr. Sebastian Roßner von der Universität Düsseldorf: "Ein Zwei-Klassen Parteiensystem stünde im Widerspruch zur Wettbewerbsgleichheit der Parteien und wäre Wasser auf die politischen Mühlen der Paria-Parteien", schrieb er nach dem Urteil bei LTO.  

Positiver steht Staatsrechtler Prof. Dr. Joachim Wieland, wie von Arnim von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften, den Überlegungen von Justiz- und Innenministerium gegenüber. "Nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die NPD zwar die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft, aber wegen Bedeutungslosigkeit nicht verboten werden kann, wäre es verfehlt, die Partei aus Steuermitteln weiter zu finanzieren. Der Staat sollte nicht verpflichtet sein, eine Partei, die seine Grundordnung beseitigen will, solange zu fördern, bis sie bedeutend genug ist, um ihre Ziele durchzusetzen".

Um die dazu notwendige Änderung von Art. 21 GG mit dem Demokratieprinzip vereinbar zu machen, hält Wieland es für erforderlich, dass die Verfassungsfeindlichkeit der betroffenen Partei von einer politisch neutralen Stelle wie dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundesverwaltungsgericht festgestellt wird. "Das darf nicht einer politischen Instanz überlassen werden, die leicht in den - begründeten oder nicht begründeten - Verdacht geraten könnte, sie wollte sich einer unliebsamen Konkurrenz erwehren".

pl/acr/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Nach der Entscheidung des BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21831 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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