Erstmals seit 22 Jahren passiert ein deutsches Kriegsschiff die Meerenge zwischen China und Taiwan. China hält diesen Vorstoß in "sein Gebiet" für eine rechtswidrige Provokation. Die Ampel-Parteien verteidigen das Vorgehen.
Die Fregatte "Baden-Württemberg" ist in die Meerenge zwischen China und Taiwan eingefahren. Positionsdaten auf Internetplattformen zeigten das Schiff um die Mittagszeit in der sogenannten Taiwanstraße. Mit dabei war demnach der deutsche Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main". Die Marineschiffe waren auf dem Weg von Südkorea nach Manila auf den Philippinen. Damit ist erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder ein deutsches Kriegsschiff auf der Route unterwegs, die China zu seinem Gebiet zählt, andere Länder jedoch als internationale Gewässer betrachten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bestätigte vorab die Fahrroute in Berlin am Rande einer Pressekonferenz mit seinem litauischen Amtskollegen Laurynas Kasciunas. Chinas Außenamtssprecherin Mao Ning erklärte erneut, Provokationen und Drohungen von Staaten gegen die Souveränität und Sicherheit Chinas unter dem Deckmantel der Schifffahrtsfreiheit abzulehnen.
Die Kommunistische Partei will Taiwan mit dem Festland vereinen und drohte bereits, dies notfalls mit dem Militär zu erzwingen, falls es nicht auf friedlichem Wege funktioniert. Bei der Taiwan-Frage gehe es nicht um Freiheit der Schifffahrt, sondern um Chinas Souveränität und territoriale Integrität, erklärte Mao. Die Durchfahrt könnte für Ärger mit Peking sorgen und die Verbindungen der Bundesrepublik mit China schädigen, warnte außerdem die staatliche Zeitung Global Times, die für ihren teils scharfen Ton bekannt ist.
Pistorius: "Internationale Gewässer sind internationale Gewässer"
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) meint dagegen: "Das Signal ist ein ganz einfaches, was wir immer vertreten haben und auch ich immer vertreten habe: Internationale Gewässer sind internationale Gewässer." Es sei der kürzeste und angesichts der Wetterlage sicherste Weg, "also fahren wir durch." Auf die Frage, ob China über die Durchfahrt informiert wurde, sagte ein Sprecher seines Ministeriums: "Das ist weder vorgesehen noch nötig." Es werde der freie Seeweg genutzt und das Recht auf freie Schifffahrt unterstrichen.
Zuspruch für das Vorgehen gibt es derweil von den Ampel-Parteien. "Unsere beiden Schiffe werden auf ihrer verteidigungsdiplomatischen Mission überall in bester Freundschaft und mit großen Ehren empfangen. Die ganze Fahrt steht im Zeichen von Völkerrecht, Zusammenarbeit und Stabilität", erklärte die Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger. "Gerade in diesen Zeiten braucht es ein klares Bekenntnis zur Freiheit der Seewege. Es würde daher mehr Fragen aufwerfen, wenn die Straße von Taiwan bewusst umfahren werden würde. Es ist richtig, mit einer souveränen Selbstverständlichkeit diese Route zu wählen."
Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Müller, sagte: "Die Durchfahrt ist ein völlig normaler Vorgang, völkerrechtlich gedeckt und wird von vielen Nationen praktiziert. Es ist gut, dass die Bundesregierung keine großen Diskussionen darum macht und so handelt, wie andere westlichen Nationen auch."
Seerechts-Experte: Volle Schifffahrtsfreiheit in der Taiwanstraße
Aus Sicht des Generalinspekteurs der Bundeswehr stellt das Manöver auch keine Provokation der Volksrepublik China dar. "Ich glaube nicht, dass wir die Provokation Chinas riskieren, sondern eher umgekehrt; dass mit der Wahrnehmung und den Punkten, die China hier mit hineinbringt, genau dieses internationale Recht infrage gestellt wird", sagte Deutschlands ranghöchster Soldat, Carsten Breuer, bei einem Besuch in Seoul.
Dr. Valentin Schatz, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Lüneburg, hält die Durchfahrt von Kriegsschiffen durch die Taiwanstraße rechtlich auch für völlig unproblematisch. Gegenüber LTO erklärt er: "Dort gibt es einen Korridor aus Ausschließlichen Wirtschaftszonen (also untechnisch gesprochen "internationalen Gewässern"), in der die volle Schifffahrtsfreiheit gilt." Solange keine nach dem UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) verbotenen Handlungen – wie zum Beispiel Waffenübungen – vorgenommen werden, wäre sogar eine Durchfahrt des Küstenmeeres ohne Zustimmung Chinas erlaubt.
Schatz weist zudem darauf hin, dass manche Staaten gezielt Gewässer durchfahren, in denen andere Staaten unrechtmäßige Ansprüche erheben oder Durchfahrtsrechte unzulässig einschränken. Solche sogenannten freedom of navigation operations (FONOPs) dienten dazu, zu verhindern, dass unrechtmäßige Ansprüche völkerrechtlich anerkannt werden. Zwar sei die deutsche Aktion keine echte FONOP, weil sie nicht als solche kommuniziert wurde. Offiziell weiche man nur nicht vom Kurs ab. Um die Nichtanerkennung rechtlich wirksam auszudrücken, wäre eine solche aber auch nicht nötig, so Schatz. Auch mündliche oder schriftliche Protestnoten würden dafür genügen.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Rechtlich einwandfrei, aber unnötig provokativ?: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55410 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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