Seit knapp einem Jahr darf die Berliner Polizei Übersichtsaufnahmen von unübersichtlichen Demonstrationen machen, um die Lage zu steuern. Am Mittwoch verhandelte der LVerfGH über einen Normenkontrollantrag von Mitgliedern der Oppositionsfraktionen gegen diese Ermächtigung.
Die Richter des Landesverfassungsgerichtshofs (LVerfGH) Berlin haben das Filmen von Demonstrationen durch die Berliner Polizei kritisch hinterfragt. In einer zweistündigen Verhandlung mussten am Mittwoch Vertreter des Senats und der Polizei ausführlich erläutern, warum und wie Übersichtsaufnahmen von Demonstrationen angefertigt werden sollen. Grüne, Linke und Piraten hatten eine abstrakte Normenkontrolle gegen die Änderung des Versammlungsrechts in Berlin erhoben, weil sie befürchten, dass Demonstranten abgeschreckt werden. Nach der Verhandlung zeigten sie sich zurückhaltend optimistisch. Das Urteil soll am 11. April verkündet werden (VerfGH 129/13).
Das Berliner Versammlungsgesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen die Polizei in Berlin Bild- und Tonaufnahmen bei öffentlichen Versammlungen anfertigen darf. Es ersetzt insoweit das Versammlungsgesetz des Bundes. Mit der Föderalismusreform 2006 ist die Kompetenz für das Versammlungsrecht auf die Länder übergegangen.
Früher durfte die Polizei nur filmen, wenn Gewalt ausbrach oder kurz bevorstand. Seit 2013 dürfen zusätzlich Übersichtsaufnahmen gemacht werden, wenn dies "im Einzelfall zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich ist". Die Aufnahmen dürfen aber nicht gespeichert oder zur Identifikation von Demonstranten genutzt werden.
Die Antragsteller halten das Gesetz für unvereinbar mit der Landesverfassung. Die Ermächtigungsgrundlage sei zu unbestimmt und unverhältnismäßig. Der Anwalt der Opposition, Sönke Hilbrans, sprach von einer "potenziell abschreckenden Maßnahme in einem der Kern-Grundrechte der Demokratie", nämlich der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Das Abgeordnetenhaus und der Senat teilen diese Bedenken nicht. Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) erwiderte, die Polizei filme nur in sorgfältig abgewogenen Einzelfällen und halte sich streng an die Vorschriften.
2013 nur drei Mal Übersichtsaufnahmen angefertigt
Die Richter bohrten aber bei dem Vertreter der Polizei, Marco Langner, nach. Wer filmt von wo aus bei einer Demonstration, können die Polizisten mit den Kameras zoomen, wer bekommt die Live-Bilder, gibt es Speichermöglichkeiten, wie wird die Übertragung in die Einsatzzentrale verschlüsselt, wann wurde bisher im Überblick gefilmt?
Langner erklärte, die Polizei habe im vergangenen Jahr nur dreimal nach dem neuen Recht gefilmt, zweimal am 1. Mai und einmal am 24. August bei einer Demonstration. Gefilmt werde von festen Standorten oder aus einem Hubschrauber, direktes Zoomen sei verboten und das Speichern könne man verhindern, indem Speicherkarten aus den Kameras entfernt würden.
Auf die Frage, wie es um die Transparenz bestellt sei und woher Demonstranten wüssten, dass nur im Überblick ohne Identifizierung Einzelner gefilmt werde, räumte Langner ein: "Sie wissen es faktisch nicht." Die Polizei teile das zwar den Anmeldern der Demonstration mit, aber ob so alle Teilnehmer informiert werden könnten, sei bei großen, unübersichtlichen Kundgebungen zweifelhaft.
dpa/cko/LTO-Redaktion
LVerfGH Berlin zu Videoüberwachung von Demos: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11102 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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