Monatelang hat Frank Lüttig geschwiegen. Auf die Erfahrung, plötzlich Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren zu sein, hätte der Celler Generalstaatsanwalt gerne verzichtet. Nun ist er zurück im Amt.
Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat die Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen Verdachts auf Geheimnisverrat eingestellt. "Ein solches Verfahren ist zwingend unverzüglich einzustellen, wenn ein notwendiger Tatnachweis nicht zu führen ist", sagte Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) am Montag im Rechtsausschuss des Landtags.
Lüttig war vorgeworfen worden, vertrauliche Informationen aus den Ermittlungsverfahren gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff und den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy an Medien weitergegeben zu haben. Unklar bleibt nun, wie die Interna an die Öffentlichkeit gelangten.
"In jedem Fall kommen grundsätzlich auch andere, unterschiedliche Personen als Täter in Betracht", sagte der Leiter der Göttinger Staatsanwaltschaft, Stefan Studenroth. Die Ermittlungen gegen Lüttig hätten "keinen genügenden Anlass zur Anklageerhebung gegeben".
Erleichterung über "funktionierendes Rechtssystem"
Fast zeitgleich zum Ende der gegen ihn gerichteten Ermittlungen ist der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig zurück im Dienst - "aufrecht" und "unbeschädigt", wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt.
Herr Lüttig, dreieinhalb Monate dauerten die Ermittlungen gegen Sie. Was bedeutet die Einstellung für Sie persönlich?
Lüttig: Es ist zweifelsohne eine große Erleichterung, aber auch die Erkenntnis, dass unser Rechtssystem funktioniert. Ich begann gerade daran zu zweifeln, weil ich mir niemals hätte vorstellen können, dass man auf derart vage Vermutungen und Spekulationen, wie es die Staatsanwaltschaft getan hat, einen Anfangsverdacht mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen stützen konnte.
Als Jurist haben Sie schon oft Ermittlungen geleitet. Nun wurden Sie selbst zum Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren. Wie haben Sie die Zeit erlebt, wie fühlte es sich an?
Lüttig: Es war eine schwere Zeit, insbesondere weil ich ja wusste, dass ich unschuldig bin. Es ist eine Mischung aus Hilflosigkeit und zum Abwarten verdammt sein.
Haben Sie sich das Gefühl, dass Sie in den drei Monaten als Beschuldigter hatten, jemals so vorgestellt?
Lüttig: Das kann man sich nicht vorstellen. Das muss man erleben.
Inwiefern haben die nun gemachten Erfahrungen Einfluss auf ihr künftiges berufliches Handeln?
Lüttig: Ich werde in meinem Geschäftsbereich bei der Ausbildung der jungen Staatsanwälte künftig mehr denn je großen Wert darauf legen, dass sich einseitige Sichtweisen nicht verfestigen. Es ist ganz wichtig, dass immer auch der Blick dafür offen bleibt, dass es anders gewesen sein könnte als angenommen. Gerade in meinem Fall habe ich hautnah erlebt, was es bedeutet, wenn an einer einmal beschlossenen Ermittlungshypothese festgehalten wird und so konsequent offensichtlich entlastende Tatsachen einfach nicht berücksichtigt werden. Hier werde ich künftig sicher auch deutlich sensibler im Umgang mit den Verteidigern sein.
Glauben Sie, dass Sie einfach so zurück an ihren Schreibtisch in ihren alten Job können als wäre nichts passiert?
Lüttig: Ich bin aufrecht an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Ich bin unschuldig und das wissen auch alle, mit denen ich gesprochen habe. Ich habe eine großartige Unterstützung aller Mitarbeiter meiner Behörde erfahren und natürlich auch von fast allen Leitern der Behörden meines Bezirks sowie den Kollegen Generalstaatsanwälte. Dafür bin ich im Übrigen sehr dankbar, denn nur so konnte ich diese drei Monate auch überstehen. Natürlich wird dieses Ereignis immer ein Bestandteil meiner Amtszeit bleiben. Ich glaube aber auch, dass jetzt der Punkt für einen Neustart erreicht ist.
Justizministerin nicht mehr tragbar
Haben Sie Angst, dass trotz der nun erfolgten Einstellung der Ermittlungen etwas hängen bleibt?
Lüttig: Nein. Wie dieses Ermittlungsverfahren motiviert war und wie es gelaufen ist, spricht für sich. Bei denen, die mir zugeneigt sind, hatte ich nie einen Zweifel, dass sie mir glauben und mich unterstützen. Diejenigen, die mir Böses wollen, kann ich sowieso nicht ändern. Sie lassen sich ohnehin an einer Hand abzählen.
Mit dem Ende des Verfahrens wächst der Druck auf Justizministerin Niewisch-Lennartz, die die Ermittlungen gegen Lüttig im Februar im Landtag öffentlich gemacht hatte. Sollten die Ermittlungen, wie jetzt geschehen, eingestellt werden, sei die Ministerin nicht mehr tragbar, hatten CDU und FDP am Wochenende erklärt. Die Opposition vermutet, dass Niewisch-Lennartz aus parteipolitischem Kalkül den Namen Lüttigs öffentlich genannt hatte.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Weitergabe vertraulicher Informationen: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15702 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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