LSG Darmstadt zu Sozialleistungen und EU-Freizügigkeit: Bul­ga­ri­scher Arbeit­nehmer hat Anspruch auf Hartz IV

25.02.2020

Wer sich nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhält, hat in der Regel keinen Anspruch auf Hartz IV. Arbeitnehmer aus der EU sind aber leistungsberechtigt, wenn kein Missbrauch des EU-Freizügigkeitsrechts vorliegt.

Ein Missbrauch des EU-Freizügigkeitsrechts liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seinen Bedarf durch sein Einkommen fast ganz deckt und nur geringe ergänzende Bezüge beantragt. Das entschied in einem Eilverfahren das Hessische Landessozialgericht (Beschl. v. 25.2.2020, Az. L 6 AS 528/19).

Ein bulgarisches Ehepaar war mit seinen zwei minderjährigen Kindern im Frühjahr 2019 nach Deutschland gekommen. Erst wurden sie von Verwandten finanziell unterstützt, dann fand der Mann eine Arbeit. Ab Anfang Mai arbeitete er für 80 Stunden im Monat als Landschaftsgärtner und verdiente etwa 680 Euro netto. Bereits nach wenigen Tagen erlitt er jedoch einen Arbeitsunfall und erhielt daraufhin Verletzten- bzw. Krankengeld. Ergänzend dazu wollte er Hartz IV erhalten und beantragte Grundsicherungsleistungen. Das Jobcenter lehnte dies jedoch ab: Leistungen seien ausgeschlossen, da sich das Aufenthaltsrecht des Bulgaren nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.

Dagegen wandte sich der Mann an das Gericht und die Darmstädter Richter gaben ihm Recht. Sie verpflichteten das Jobcenter vorläufig, der Familie Hartz IV zu gewähren. Habe ein Ausländer ein Aufenthaltsrecht in Deutschland nur zum Zwecke der Arbeitsuche, habe er grundsätzlich keinen Anspruch auf Grundsicherungssleistungen (Hartz IV). Freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmer – also solche, die aus einem EU-Staat stammen und in einem anderen EU-Staat arbeiten – seien hingegen leistungsberechtigt, solange kein Missbrauch des EU-Freizügigkeitsrechts bestehe. Von einem solchen sei jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit seinen eigenen Bedarf fast vollständig decken könne, so der Senat. Das sei bei dem Bulgaren der Fall.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LSG Darmstadt zu Sozialleistungen und EU-Freizügigkeit: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40465 (abgerufen am: 03.11.2024 )

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