LSG Celle zum Schulkind mit Behinderung: Sozialamt muss Autis­mus­the­rapie zahlen

16.12.2019

Lange Zeit war umstritten, ob die Kostenübernahme einer Autismustherapie für ein Schulkind vom Einkommen und Vermögen der Eltern abhängt. Das LSG Niedersachsen-Bremen entschied nun, dass es das Amt die Kosten tragen muss.

Eine Autismustherapie, die den Schulbesuch eines Kindes erleichtert, muss das Sozialamt aus Sozialhilfemitteln bezahlen - und zwar unabhängig vom Vermögen und Einkommen der Eltern. So urteilte kürzlich das Landessozialgericht Niedersachen-Bremen (LSG) Celle (Urt. v. 28.11.2019, Az. L 8 SO 240/18).

Die für ihr Kind klagenden Eltern haben eine Tochter, die an frühkindlichem Autismus und einer Verhaltensstörung leidet. Das damals achtjährige Mädchen besuchte eine Inklusionsklasse an einer Bremer Grundschule und erhielt dort eine Eins-zu-eins-Betreuung. Die Eltern beantragten dann mit Unterstützung der Klassenlehrerin und der behandelnden Ärzte eine zusätzliche Therapie. Diese Therapie würde zwar vor allem soziale und lebenspraktische Fähigkeiten vermitteln, jedoch auch das schulische Lernen erleichtern, hieß es.

Das Bremer Sozialamt lehnte die Übernahme der Kosten für die Zusatztherapie aus Sozialhilfemitteln jedoch ab. Es war der Überzeugung, dass die Eltern selbst für diese Therapie verantwortlich seien, da sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügten. Außerdem seien sie intern angewiesen, keine zusätzlichen Unterstützungen für die Schule durch das Autismustherapiezentrum zu gewähren. 

Wegen der unklaren Kostenlage nahmen die Eltern dann zunächst eine weniger umfangreiche Therapie für ihr Kind in Anspruch und kamen für die rund 7.400 Euro mit eigenen Mitteln auf. Sie erhoben anschließend Klage gegen das Bremer Sozialamt auf Erstattung der Kosten und bekamen vom Sozialgericht Bremen auch Recht (Urt. v. 25.9.2019, Az. S 15 SO 323/16). Diese Entscheidung hat das LSG Celle nun bestätigt und das Sozialamt zur Erstattung der Kosten verurteilt. 

Das Gericht ordnete die Autismustherapie als "Hilfe zur angemessenen Schulbildung" und damit als erstattungsfähig und kostenprivilegiert ein. Dabei sei zu beachten, dass die Behinderung des Kindes, die mit einer Intelligenzminderung auf einen IQ von 40 einhergeht, als wesentlich zu bewerten sei. Die Erstattungspflicht bestünde dann nicht, wenn es sich um eine "Leistung zur Teilhabe im Leben in der Gemeinschaft" handele. Nur eine solche sei nämlich einkommensabhängig. 

Eine Autimustherapie fördere aber gerade die Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten. Sie könne also die Vermittlung von Unterrichtsinhalten, das Sprachverständnis und das Sozialverhalten verbessern und trage so zu einem erfolgreichen Schulbesuch bei. Ob die Therapie dabei allein auf den Schulbesuch ausgerichtet ist, sei dabei nicht erforderlich. Es reiche aus, wenn die Therapie diesen erleichtert. Das sei vorliegend der Fall, sodass das Sozialamt für die Kosten unabhängig vom Einkommen der Eltern aufkommen müsse. 

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LSG Celle zum Schulkind mit Behinderung: . In: Legal Tribune Online, 16.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39263 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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