Ein türkischer Ex-Soldat argumentierte, die Militärdienste in Deutschland und der Türkei als NATO-Staaten seien gleichzusetzen. Das LSG Baden-Württemberg stellte jetzt klar: Das Soldatenversorgungsgesetz gilt nur für Bundeswehrangehörige.
Wer in der Türkei Militärdienst geleistet hat, hat keine Ansprüche nach dem deutschen Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Diese Versorgungsansprüche sind auf Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sowie deren Hinterbliebene beschränkt. Das entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) in einem am Montag veröffentlichten Urteil (Urt. v. 21.7.2022, Az. L 6 VS 933/22).
Militärdienst beim türkischen Militär
Ein heute 50-Jähriger hat von 1998 bis 2000 Militärdienst beim türkischen Militär geleistet. Mit Mitte 20 hatte er dort in Ostanatolien in den Bergen bei Wind, Kälte und Nässe gegen die PKK gekämpft, es herrschte Krieg. Heute leidet der Mann an einer chronischen Lungenerkrankung, die er auf diese Verhältnisse zurückführt. Er habe damals zwölf stündige Wachdienste ohne Pause oder Ablösung halten müssen. Durch dieses ständige Wachsein bei Nässe und Kälte sei seine Lungenfunktion heute eingeschränkt und er leide unter Bronchialasthma.
Seit 2000 lebt der Mann in Deutschland und empfängt seit 2010 "Hartz IV". Er ist schwerbehindert und beantragte mehrfach Beschädigtenrente nach dem SVG, denn sein heutiger Gesundheitszustand sei auf seinen Militärdienst in der Türkei zurückzuführen. Das SVG müsse nämlich auch für ihn gelten, da die Türkei genau wie Deutschland Mitglied in der NATO sei und daher der Militärdienst in den beiden Staaten gleichzusetzen sei.
Das Land Baden-Württemberg (BaWü) lehnte die Anträge jedoch immer wieder ab, zuletzt im März 2021. Denn die Beschädigtenversorgung nach dem SVG gelte nur für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Als Militärdienstleistender in der Türkei gehöre der Mann nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis.
Staatliche Leistungspflicht wegen Aufopferung für den Staat
Auch das LSG bestätigte diese Ansicht nun. Da der ehemalige türkische Soldat niemals Dienst in der Bundeswehr geleistet habe, "unterfalle er nicht dem persönlichen Geltungsbereich des SVG". Sinn und Zweck des Gesetzes sei es, dass Soldaten im Dienst der Bundeswehr für den deutschen Staat ein besonderes Opfer erbringen, dass "unter dem Gesichtspunkt des Aufopferungsgedankens eine staatliche Leistungspflicht" begründe.
Der klagende Mann habe aber in einem Dienstverhältnis zum türkischen und nicht zum deutschen Staat gestanden, woran auch die NATO-Mitgliedschaft beider Staaten nichts ändere – selbst, wenn es um einen NATO-Einsatz gehen würde, was der Mann hier schon gar nicht vorgebracht hatte. Es sei also keine Leistungspflicht des deutschen Staates begründet.
Außerdem sei das SVG nicht analog anwendbar, im Besoldungs- und Versorgungsrecht komme nämlich "dem Gesetzeswortlaut wegen der strikten Gesetzesbindung besondere Bedeutung zu". Schließen scheiterten auch Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG), da keine Anhaltspunkte für einen tätlichen rechtswidrigen Angriff vorlägen. Außerdem sei das OEG nicht anwendbar, der der klagende Ex-Soldate sich von 1998 bis 2000 und damit länger als sechs Monate außerhalb des Geltungsbereichs des OEG befunden habe.
Gilt auch für Deutsche, die freiwillig in der Ukraine kämpfen
Das Gericht hob im Hinblick auf das Urteil auch die besondere Aktualität der Entscheidung hevor. Denn das Urteil dürfe auch auf "diejenigen, die sich im Ausland an Kriegseinsätzen beteiligen (zB in der Ukraine)" übertragbar sein.
ast/LTO-Redaktion
LSG Baden-Württemberg zum Soldatenversorgungsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49255 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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