Krankenkassen müssen eine Therapie mit Cannabis nur als absolute Ausnahme finanzieren. An der angeblichen "Tablettenphobie" eines Patienten, wonach die medizinische Droge der letzte Ausweg sei, hatte das LSG so seine Zweifel.
Ein Mann mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS hat keinen Anspruch auf eine Behandlung mit Cannabis. Der 36-Jährige aus Mannheim scheiterte mit einer Berufung, wie das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am Dienstag mitteilte. Statt mit Cannabis soll das nicht schwerwiegende Ausmaß der Erkrankung mit alternativen Therapien behandelt werden (Urt. v. 22.03.2022, Az. L 11 KR 3804/21).
Seit seiner Kindheit leidet der Mann an ADHS. Durch die Therapie mit Ritalin - einem Medikament gegen ADHS - hat er eigenen Angaben zufolge eine Abneigung gegen die Einnahme von Tabletten entwickelt. Als 13-Jähriger hat er dann begonnen, Cannabis zu rauchen. Laut einer Stellungnahme seines Psychiaters sollte die Droge ADHS sowie eine Depression behandeln. Ohne die Therapie mit Cannabis sei es für den Mann nicht möglich, den Alltag zu bewältigen, hieß es in der Stellungnahme weiter. Das Problem sei nur die Illegalität seiner Therapie, die ihn allein in diesem Jahr schon 3.000 € gekostet habe.
Nach § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch darauf, mit Cannabis versorgt zu werden. Unter anderem darf eine allgemein anerkannte andere Behandlung nicht verfügbar sein oder bei dem Patienten nicht in Frage kommen.
Cannabis nur, wenn nichts anderes mehr geht
Die Krankenkasse lehnte seinen Antrag, die Kosten zu erstatten, allerdings ab. Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei der Mann nicht schwerwiegend erkrankt und zudem solle Cannabis nach medizinischen Leitlinien auch gar nicht zur Behandlung von ADHS eingesetzt werden. Das Sozialgericht (SG) Mannheim wies seine Klage bereits ab.
Das LSG Stuttgart folgte dem Gutachten des Medizinischen Dienstes und wies auch die Berufung zurück. Das von dem Mann vorgelegte Gutachten seines Psychiaters könne schon nicht seine schwerwiegende Erkrankung darlegen. Dafür müsste die Erkrankung lebensbedrohlich sein oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen. Der behandelnde Arzt habe das Auftreten des 36-Jährigen aber selbst als völlig adäquat, ruhig und reflektiert beschrieben, so der 11. Senat.
Auch habe der Mediziner in seiner Stellungnahme die "Tablettenphobie" des Mannheimers weder hinterfragt noch überprüft. Die ärztliche Einschätzung sei aber unzureichend, wenn sie im Wesentlichen auf den Angaben des Versicherten beruhe. Deswegen stehe gar nicht fest, ob es nicht auch alternative Therapien gebe, heißt es in dem Urteil. Insbesondere habe sich der behandelnde Arzt auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob nach über 20 Jahren Cannabiskonsum zwischenzeitlich eine Sucht vorliege, die die weitere Behandlung mit der Droge ausschließe.
mgö/LTO-Redaktion
LSG Stuttgart lehnt Behandlungsmaßnahme ab: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48134 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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