NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) ist durch einen Beschluss des VG Münster unter Druck geraten, der ihm manipulatives Verhalten bei der Besetzung einer Richterstelle vorwarf. In einer Sondersitzung setzte er sich nun zur Wehr.
NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hat erneut den Vorwurf rechtswidrigen und manipulativen Verhaltens – wie bereits zuvor im LTO-Interview – bei der Besetzung einer Gerichtspräsidentenstelle zurückgewiesen. Dies hatte ihm das Verwaltungsgericht Münster in einem Beschluss in der vergangenen Woche vorgeworfen. Limbach sei nicht befugt, sogenannte Überbeurteilungen für externe Stellenbewerber zu verfassen, hatte das Gericht unter anderem gerügt. Seit einer Verordnungsänderung im Februar 2022 habe das NRW-Justizministerium sehr wohl diese Kompetenz, sagte Limbach am Donnerstag in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag. Dies sei sogar ausdrücklich Zweck der Änderung gewesen. Schon sein Vorgänger Peter Biesenbach (CDU) habe solche vom Ministerium erstellten Überbeurteilungen unterzeichnet.
Dabei gehe es darum, unterschiedliche Notenskalen anzupassen und in das Bewertungssystem der NRW-Justiz zu übersetzen. Die in dieser Sache vom Verwaltungsgericht Münster geäußerte Rechtsauffassung sei neu, betonte Limbach. Es bleibe abzuwarten, ob sie rechtskräftig werde. Sein Haus hat gegen den Gerichtsbeschluss Beschwerde eingelegt. Bei dem Verfahren geht es um die Besetzung des Präsidentenamts am Oberverwaltungsgericht für NRW in Münster.
Auf Nachfrage musste Limbach einräumen, dass er sich mit zwei Bewerbern, darunter auch mit einer noch später ins Verfahren gelangten Bewerberin, duze. Er kenne sie seit einer gemeinsamen beruflichen Zeit an einem Gericht. Er habe sich mit ihr zu einem Abendessen verabredet, sie aber nicht aufgefordert, sich auf die Stelle zu bewerben. Sie selbst habe bei diesen Treffen ihr Interesse an einer Bewerbung bekundet. Dies habe sie mit dem Ausscheiden seines Vorgängers aus dem Amt begründet.
Limbach: Keine Weisung zur Bevorzugung
"Ich habe keine Weisung erteilt, die Beigeladene in diesem Prozess zu bevorzugen", versicherte Limbach. Er habe auch kein "besonderes Näheverhältnis" zu ihr und daher auch keinen Grund gesehen, die Entscheidung wegen eines etwaigen Anscheins der Befangenheit an den Staatssekretär abzutreten.
Ein Abteilungsleiter des Justizministeriums sagte, es gehöre in der Justiz zum guten Ton, Bewerbungen mündlich anzukündigen. Das sei üblich und ein normaler Vorgang. Limbach wies zudem den Verdacht zurück, er habe den Eingang der Bewerbung abgewartet, bevor er entschieden habe. Er habe so lange gebraucht, den komplexen Vorgang zu bewerten. Die Stelle des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts in Münster ist seit gut zwei Jahren unbesetzt. Einer der Bewerber hatte gegen das Vergabeverfahren geklagt. Limbach wies daraufhin, dass die Stelle bereits bei seinem Amtsantritt 13 Monate vakant gewesen sei.
Er habe den Bewerbungsvorgang außerdem nicht stoppen wollen, wie vom Gericht vermutet, sagte Limbach. Sein Vorgänger habe den Bewerbungsvorschlag aber erst nach der Landtagswahl unterzeichnet und wiederum erst sechs Wochen später beim Ausräumen seines Büros dem zuständigen Abteilungsleiter übergeben. Nach dessen und seiner Rechtsauffassung habe damit kein gültiges Votum der aktuellen Ministeriumsspitze vorgelegen. Mit seiner Verfügung, den Vorgang nicht weiter auszuführen, habe er nur vermerken wollen, dass seine Entscheidung fehlend die Besetzung nicht auf Basis des Votums seines Vorgängers weiter verfolgt werden solle.
Limbach: Keine Kenntnis von weiteren Bewerbern
Von etwaigen weiteren Bewerbern oder Bewerbungsabsichten habe er zu dem Zeitpunkt nichts gewusst. Nach dem Abbruch eines ersten Bewerbungsverfahrens am 15. Juni 2021 war der Posten erneut ausgeschrieben worden. Im ersten Verfahren hätten die beiden einzigen Bewerber ihre Bewerbungen zurückgezogen, so der Abteilungsleiter. Danach hatten sich ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts und zwei weitere Bewerber auf die Stelle beworben, bevor nach dem Regierungswechsel noch die Bewerbung einer Mitarbeiterin aus dem Innenministerium eingegangen war. Die bei der Ausschreibung genannte 14-tägige Bewerbungsfrist sei eine "reine Ordnungsfrist" und rechtlich nicht bindend, sagte der zuständige Abteilungsleiter des Ministeriums.
"Meiner Meinung nach lag eine Befangenheit vor", sagte der Ausschussvorsitzende Werner Pfeil (FDP). Dass die Bekannte des Ministers trotz einer Bewertungslücke von neun Jahren plötzlich vorne gelegen habe, sei "sonderbar": "Der Minister hat das Verfahren offen gehalten, damit seine Freundin sich bewerben konnte. Er hat sich hier um Kopf und Kragen geredet", sagte der SPD-Abgeordnete Sven Wolf. Dem widersprach der CDU-Abgeordnete Jörg Geerlings. Die Fragen seien klar und eindeutig beantwortet worden. Die Oppositionsfraktionen von SPD und FDP beantragten unterdessen eine weitere Sondersitzung des Rechtsausschusses - diesmal zum Thema Cum-Ex. Die soll am 12. Oktober stattfinden.
dpa/LTO-Redaktion
Sondersitzung im Rechtsausschuss: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52860 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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