Die Verlobte eines Millionärs aus Hamburg muss mehrere Jahre in Haft. Ihr Partner hatte angeblich noch versucht, Entlastungszeugen zu kaufen. Das Gericht machte aber vor allem den Verteidigern schwere Vorwürfe.
Das Landgericht (LG) München I hat am Mittwoch eine 34-Jährige zu viereinhalb Jahren Haft wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Mutter dreier Kinder hatte zugegeben, einen Wiesn-Gast im vergangenen Jahr vor dem Käfer-Promizelt des Oktoberfestes mit einem Klappmesser verletzt zu haben. Der Mann hatte ihren Bekannten, den Ex-Fußballnationalspieler Patrick Owomoyela, zuvor heftig rassistisch beleidigt.
Der Lastwagenfahrer erlitt eine schwere Stichwunde, verlor viel Blut, ihm musste die Milz entfernt werden. Die Frau ging nach der blutigen Auseinandersetzung in die Nobeldisco P1 und feierte weiter. Beim Urteil hatte sie die Augen geschlossen, schließlich brach sie - wie schon zuvor oft in der Verhandlung - in Tränen aus und schluchzte verzweifelt. Ihre Verteidiger hatten stets von Notwehr gesprochen und auf Freispruch plädiert. Sie kündigten an, das Urteil "sehr wahrscheinlich" anzufechten und vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu ziehen.
Partner bot angeblich 200.000 Euro für Falschaussage
"Die Angeklagte handelte mit Tötungsvorsatz", begründete der Vorsitzende Richter sein Urteil. "Sie bringt die Tasche auf, sie bringt das Messer raus, sie macht es auf, sie sticht zu." In dem Verhalten könne er keine Anhaltspunkte für eine Panik erkennen. Das Gericht lastete der 34-Jährigen vor allem an, dass sie die Tat zwar gestanden, den verletzten Mann aber nicht als Opfer anerkannt und darum keine Verantwortung für ihre Tat übernommen habe.
Der Prozess hatte auch deshalb Schlagzeilen gemacht, weil der Verlobte der Angeklagten nach Auffassung des Gerichtes mehrfach versuchte, Zeugen zu kaufen. Ein Mann, der die Angeklagte mit einer Falschaussage entlasten und dafür 200.000 Euro bekommen sollte, sagte vor Gericht aus. Auch der Verletzte bekam Geld geboten. Gegen den Hamburger Millionär läuft ein Ermittlungsverfahren. Er wurde sogar vorübergehend festgenommen.
Anwaltskammer soll eingeschaltet werden
Im Anschluss an seine Urteilsbegründung fand der sichtlich wütende Vorsitzende deutliche Worte für die Verteidiger der Angeklagten. "Ich habe es in 27 Jahren noch nicht erlebt, dass Verteidiger jegliche professionelle Distanz zu ihrer Mandantin derart verloren haben", sagte er. Ob Anwälte in die Verwicklungen um den gekauften Zeugen einbezogen waren, müsse geprüft werden. In diesem Zusammenhang sei auch ein "lancierter" Artikel in einer Zeitschrift zu beachten, sagte der Richter. "Die Umstände verlangen nach Aufklärung." Es gebe hinreichende Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht einer Straftat, sagte der Richter und kündigte außerdem an, die Anwaltskammer über das Verhalten der Anwälte im Verfahren zu unterrichten.
Rechtsanwalt Gerhard Strate wies die Vorwürfe entschieden zurück. Der bekannte Strafverteidiger vermutete schlicht Lokalpatriotismus als Motivation des Richters für die nicht-alltägliche und sehr deutliche Rüge, die der bekannte Strafrechtler "Verteidiger-Bashing" nannte: Er glaube, "dass Verteidiger, die aus Hamburg kommen, hier nicht willkommen sind in München". Und: "Die Wiesn ist schon ein Rechtsgut für sich." München sei zwar eine schöne Stadt, aber "die Strafjustiz in Bayern ist nicht so, dass man sich darüber freut". Der Vorsitzende hatte dagegen betont: "Die Kammer entscheidet nicht nach einem Sonderrecht für Prominente und auch nicht nach einem Sonderrecht für die Wiesn."
dpa/una/LTO-Redaktion
LG München I zu Messerangriff auf Oktoberfest: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20258 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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