Nach langem Hin und Her konnte sich der Suhrkamp Verlag mit dem Residenztheater vor dem Münchner LG einigen. Das Stück "Baal" von Bertolt Brecht darf danach insgesamt noch zwei Mal aufgeführt werden. Brechts Erben, vertreten durch den Suhrkamp-Verlag, fanden die Interpretation des Originaltextes zu frei und wollten die Aufführung wegen einer Urheberrechtsverletzung verbieten lassen.
Sechseinhalb Stunden - so lange dauert nicht einmal Castorfs "Baal" - verhandelten die Parteien am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht I (LG), ehe sie am späten Abend mühsam eine Einigung erzielten (Az. 21 O 1686/15). Streckenweise entwickelte sich die Verhandlung zu einer Posse, die für reichlich Heiterkeit im Publikum sorgte.
Münchens Theaterpublikum hat nun am 28. Februar ein letztes Mal die Chance, die umstrittene "Baal"-Inszenierung von Regisseur Frank Castorf am Residenztheater zu sehen. Danach wird die Produktion nur noch einmal aufgeführt, und zwar beim Theatertreffen im Mai in Berlin.
Castorf hatte zahlreiche Fremdtexte, unter anderem von Arthur Rimbaud, in das Stück eingefügt. Die Erben des Autors Bertolt Brecht monierten seine Interpretation und sahen darin einen zu massiven Eingriff in den Originaltext. Es handele sich "um eine nicht-autorisierte Bearbeitung des Stückes von Bertolt Brecht" und sei eine Urheberrechtsverletzung, teilte Suhrkamp als Vertreter der Erben nach der Premiere mit. Der Verlag wollte die Aufführung des Stückes daraufhin per einstweiliger Verfügung verbieten lassen. In der Theater-Branche eilt den Erben Brechts der Ruf voraus, bei textlichen Änderungen besonders restriktiv zu sein.
Verlag pochte auf Entscheidung
Einen Einigungsvorschlag des Richters hatten Anwalt und Justiziarin des Verlages zunächst abgelehnt. Das Residenztheater hatte sich unter anderem bereit erklärt, das Theaterstück nicht über die bereits geplanten Termine im Februar und März sowie beim Theatertreffen in Berlin hinaus aufzuführen und außerdem den Titel zu ändern. Die Justiziarin nannte es erpresserisch, das Stück erst aufzuführen und dann um die Zustimmung zu bitten. Konkrete Absprachen über die Änderungen im "Baal" habe es vor der Premiere nicht gegeben. Auch durch den Aufführungsvertrag zwischen der Bühne und dem Verlag seien die Änderungen nicht gedeckt.
Das sahen die Vertreter des Theaters anders. Sie hätten den Verlag über die geplante Aufarbeitung des Stückes informiert, zudem sei die freie Arbeitsweise Castorfs im Hause Suhrkamp bekannt gewesen. Der Richter versuchte mehrfach, die Verlagsvertreter von einer Einigung zu überzeugen. Schließlich würde die Aufführung beim Theatertreffen in Berlin möglicherweise gar zum Ruhme des Autors beitragen. Und: "Der Suhrkamp Verlag müsste auch noch hinnehmen, dass Tantiemen an den Verlag fließen." Der Verlag pochte jedoch auf eine Entscheidung des Richters.
Richter: "Sie sind hier auf einer Rasierklinge unterwegs."
Im Laufe der Verhandlung verwiesen die Vertreter des Theaters auf ein angebliches besonderes Wohlwollen der Brecht-Tochter Barbara Brecht-Schall gegenüber Castorf und darauf, dass dem Regisseur größere Freiheiten zugestanden worden seien. Sicher klären ließ sich diese Frage jedoch nicht.
"Das ist schwach", entfuhr es dem Theater-Intendanten Martin Kusej, als Suhrkamp einen Vergleich zunächst ablehnte. Schließlich seien beide Seiten in der selben Branche, nämlich dem Theater, tätig, und da wäre eine Einigung doch schön. Als der Suhrkamp-Anwalt bei Nachfragen zu den Aufführungsrechten und Erbverträgen zunächst keine Vertragskopien vorlegen konnte, fand der Richter deutliche Worte: "Sie sind hier auf einer Rasierklinge unterwegs."
Erst nach mehrstündigen Zeugenvernehmungen, in denen es unter anderem um Absprachen zwischen Theater und Verlag zu möglichen Änderungen der Textfassung Brechts ging, lenkte der Suhrkamp Verlag schließlich ein. Zwei Aufführungen finden noch statt - darüber hinaus wird Castorfs "Baal" von der Bühne verbannt.
Auch interne Streitigkeiten des Suhrkamp Verlags beschäftigten zuletzt die Gerichte. Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ging es im vergangenen Dezember darum, ob der Verlag weiter in eine AG umgewandelt werden darf. Deren einziger Aktionär Hans Barlach kämpfte zuvor bereits gegen den Insolvenzplan des Verlags. Dieser ist jedoch mittlerweile rechtskräftig.
dpa/age/LTO-Redaktion
Einigung mit Suhrkamp Verlag: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14736 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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