Merkt ein Käufer nach dem Kauf eines Tieres, dass es krank ist, muss er dem Verkäufer eine Frist zur Behandlung des Tieres setzen. Wer keine Frist setzt, bleibt grundsätzlich auf den Behandlungskosten sitzen, entschied das LG Lübeck.
Haustiere sind Lebewesen. Man zieht sie groß, füttert sie, kuschelt sie, lobt sie, schimpft mit ihnen. Ist das eigene Tier krank, heißt es: schnell zum Tierarzt! Das kann ins Geld gehen. Hat man das Tier kurz zuvor erst gekauft, stellt sich die Frage: War es schon bei Übergabe krank? Denn dann hat der Käufer unter Umständen einen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer wegen der Tierbehandlungskosten. Schadensersatz wegen eines Mangels der Kaufsache gibt es aber aber grundsätzlich erst, wenn der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt und der Verkäufer diese verstreichen lassen hat. Gilt das auch bei einer erkrankten Katze?
Ja, entschied nun das Landgericht (LG) Lübeck und lehnte die Schadensersatzklage einer Frau ab, die erst kurz nach dem Kauf zweier Katzen feststellte, dass sie die Katze(n) im Sack gekauft hat. Einen Tag nach der Abholung und danach an weiteren Tagen suchte sie mit den Katzen eine Tierärztin auf, um sie behandeln zu lassen. Die Behandlungskosten von circa 700 Euro forderte sie dann von der Verkäuferin zurück. Das Amtsgericht (AG) Reinbek hatte der Klage vollumfänglich stattgegeben (Urt. v. 30.08.2021, Az. 18 C 619/20). Es meinte, der Klägerin stünde ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu. Einer – unstreitig nicht gesetzten – Frist zur Nacherfüllung hätte es nicht bedurft. Die Klägerin sei nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass sie im Sinne des Tierwohles unverzüglich den Tierarzt aufsuchen darf.
Das sah das LG Lübeck aber anders und verneinte einen Schadensersatzanspruch (Urt. v. 07.03.2024, Az. 14 S 92/21). Die Käuferin hätte der Verkäuferin eine Frist zur Vornahme der erforderlichen Schritte zur Behandlung der Katzen setzen müssen.
Fristsetzung nur bei Notfall entbehrlich
Grundsätzlich setze der Anspruch eines Käufers auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn einer der – etwa in § 281 Abs. 2 BGB gesetzlich geregelten – Ausnahmetatbestände eingreift.
Dieser Grundsatz gilt nach Auffassung des LG auch beim Kauf eines Tieres. Das habe der BGH schon im Jahr 2005 entschieden (Urt. v. 22.06.2005, Az. VIII ZR 1/05). Demnach sei eine Fristsetzung beim Kauf eines Tieres nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lässt, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlasst werden könnte. Nach diesen Grundsätzen sei hier eine Fristsetzung erforderlich gewesen, so das LG. Ein Notfall, der eine Ausnahme rechtfertigen würde, habe auch nicht vorgelegen.
Das LG hatte sich eingehend mit der Frage beschäftigt, ob die Maßnahmen als Notfallmaßnahmen unverzüglich durchgeführt werden mussten und eine Fristsetzung deshalb nicht erforderlich gewesen wäre. Das Vorliegen einer solchen Notfallmaßnahme konnte die insofern beweisbelastete Käuferin jedoch nicht belegen. Zu dieser Frage war außerdem eine Stellungnahme der behandelnden Tierärztin eingeholt worden. Die habe zwar erklärt, die Tiere seien in einem schlechten Pflegezustand und untergewichtig gewesen. Eine sofort am Tag nach dem Kauf durchzuführende Notfallversorgung sei aber nicht erforderlich gewesen.
Die Käuferin hätte der Verkäuferin deshalb "unproblematisch eine Frist zur Selbstvornahme der Behandlungen auf eigene Kosten und in eigener Verantwortung setzen" können, so das Gericht. Dass die Käuferin vorgetragen hatte, die Verkäuferin hätte ohnehin nicht geantwortet, sei auch unerheblich. Denn auch "eine spekulativ unterbliebene Reaktion auf eine klare Fristsetzung hätte ausgereicht, um sodann die Behandlung selbst zu beauftragen und gegenüber der Verkäuferin abzurechnen".
Sinn und Zweck der Fristsetzung
Bei dem Erfordernis einer Fristsetzung handele es sich auch nicht um eine "bloße Förmelei", führte das LG weiter aus. Sinn und Zweck des Fristsetzungserfordernisses besteht laut dem LG Lübeck darin, den Verkäufer darauf hinzuweisen, dass weitere Kosten drohen. Damit erhielte dieser die Möglichkeit, den Schaden durch eigene Tätigkeit so gering wie möglich zu halten.
Mit der Fristsetzung soll einem Verkäufer nach der Rechtsprechung des BGH außerdem vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist (Urt. v. 12.08.2009, Az. VIII ZR 254/08). Außerdem soll der Verkäufer prüfen können, ob der behauptete Mangel besteht und ob er in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt (BGH, Urt. v. 10.03.2010, Az. VIII ZR 310/08).
Die Käuferin argumentierte noch, dass die sie selbst vor dem Arztbesuch nicht wissen konnte, ob und wie krank die Katzen sind und ob dies auf dem Zustand der Katzen vor dem Erwerb beruht oder sich erst nach Erwerb (eventuell durch eine Erkältung) eingestellt hat. Das LG Lübeck meinte jedoch, dass auch dieser Umstand nichts an dem Erfordernis einer Fristsetzung ändere. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass allein die Tatsache, dass der Käufer eines Tieres nicht weiß, ob eine aufgetretene Erkrankung einen Mangel im Rechtssinne darstellt, ihn nicht davon entlastet, dem Verkäufer Gelegenheit zur Behandlung auf eigene Kosten zu geben, bevor er selbst zur Tat schreitet.
LG Lübeck zum Schadensersatz bei Kauf: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54245 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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