Das LG Hannover will wissen, ob für sekundäre Gewährleistungsrechte im Verbrauchsgüterkauf eine Fristsetzung notwendig ist. Verneint der EuGH das, kämen Grundprinzipien des deutschen Schuldrechts ins Wanken.
Mit am Montag bekannt gewordenem Beschluss (Az. 17 O 43/15) hat das Landgericht (LG) Hannover dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. C-247/16). Es will wissen, ob die im deutschen Schuldrecht erforderliche erfolglose Fristsetzung zur Geltendmachung von sekundären Gewährleistungsansprüchen, insbesondere Schadensersatz, im Bereich des Verbrauchsgüterkauf und -werkvertrags mit Unionsrecht vereinbar ist.
Vor dem LG streiten eine Frau und eine Baufirma über Mängel bei der Sanierung eines Gartenpools auf dem Grundstück der Frau. Ursprünglich hatte der Ehemann der Frau das Bauunternehmen mit der Sanierung beauftragt, seine Gewährleistungsrechte jedoch anschließend an seine Frau abgetreten. 2011 wurden die Arbeiten am Pool durch Zahlung abgenommen. Wegen diverser Mängel betrieb die Frau ein selbstständiges Beweisverfahren und hat inzwischen Zahlungsklage wegen behaupteter Beseitigungskosten gegen den Bauunternehmer erhoben.
Eine Fristsetzung zur Nachbesserung ist jedoch nicht durch die Klägerin, sondern nur - wirkungslos - durch ihren Ehemann erfolgt, der nach Abtretung seiner Gewährleistungsansprüche insoweit nicht mehr zur Fristsetzung berechtigt war. Nach Auffassung der Klägerin war eine Fristsetzung aber auch nicht nötig, weil das Bauunternehmen im Rahmen des Beweisverfahrens und der anschließenden Zahlungsklage über die Mängel informiert worden sei und auch genug Zeit zur Nachbesserung gehabt habe.
Deutsches Fristenerfordernis auf der Kippe?
Alle möglicherweise auf den Fall anwendwaren deutschen Vorschriften (§§ 280, 281, 323, 398, 634, 634a, 636, 637 Bürgerliches Gesetzbuch) erfordern aber die ausdrückliche Setzung einer Nachfrist zur Mangelbeseitigung oder deren Entbehrlichkeit. Da beides nicht vorliegt, wäre die Klage nach Auffassung des LG Hannover ohne weitere Beweisaufnahme abzuweisen.
Der mit der Sache betraute Einzelrichter des LG setzte jedoch das Verfahren aus, um den EuGH nach der unionsrechtlichen Auslegung des Art. 3 Abs. 5 zweiter Spiegelstrich in Verbindung mit den Erwägungsgründen 7 und 10 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu fragen. Nach dieser ist - entgegen dem deutschen Recht - eine Fristsetzung durch den Verbraucher als Anspruchsvoraussetzung für sekundäre Sachmängelgewährleistungsrechte nicht vorgesehen.
Die genaue Formulierung der Frage durch das Gericht lautet, "ob Artikel 3 Absatz 5 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ein Grundsatz des europäischen Verbraucherrechts dahingehend zu entnehmen ist, dass es bei allen Geschäften mit Bezug auf Verbrauchsgüter zwischen Nichtverbrauchern und Verbrauchern für die Geltendmachung sekundärer Gewährleistungsrechte - insbesondere Schadensersatz - ausreichend ist, dass der gewährleistungspflichtige Nichtverbraucher nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat, ohne dass es insoweit der ausdrücklichen Setzung einer Frist zur Mangelbeseitigung bedarf und dass die Vorschriften des nationales Rechts dazu beispielsweise auch im Falle eines Verbrauchsgüterwerkvertrags entsprechend auszulegen und gegebenenfalls zu reduzieren sind."
ms/LTO-Redaktion
LG Hannover befragt EuGH zu Gewährleistung bei Verbrauchergeschäften: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19442 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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