Im Prozess um den Organspende-Skandal an der Uniklinik Göttingen ist der angeklagte Arzt am Mittwoch freigesprochen worden. Das Gericht sah die Manipulationsvorwürfe gegen den früheren Leiter der Transplantationsmedizin als nicht erwiesen an. Die Staatsanwaltschaft hatte strafrechtliches Neuland betreten - und will das Urteil anfechten.
Das Landgericht (LG) Göttingen hat den im Rahmen des Organspende-Skandals angeklagten Arzt am Mittwoch freigesprochen (Urt. v. 06.05.2015, Az. 6 Ks 4/13). Die Staatsanwaltschaft hatte dem früheren Leiter der Transplantationsmedizin unter anderem versuchten Totschlag in elf Fällen vorgeworfen und dafür acht Jahre Haft verlangt. Der Arzt hatte aus Sicht der Anklage Daten manipuliert, damit seine Patienten bei der Vergabe von Spenderlebern bevorzugt wurden.
Mit ihrer Anklage hatte die Staatsanwaltschaft juristisches Neuland betreten und das als versuchten Totschlag gewertet: Durch die Manipulationen hätten andere schwer kranke Patienten kein Organ erhalten und seien deshalb möglicherweise gestorben, hieß es in der Anklage. Die Opfer eindeutig benennen konnten die Ermittler aber nicht. Das Gericht folgte nun der Sicht der Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte. Der Angeklagte, der die Vorwürfe stets von sich gewiesen hatte, reagierte auf das Urteil mit sichtlicher Erleichterung.
Manipulationen zur Tatzeit nicht strafbar
Der Vorsitzende Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, der Arzt habe zwar gegen Richtlinien der Bundesärztekammer verstoßen. Es habe Manipulationen gegeben, die nach moralischen Wertvorstellungen auch zu missbilligen seien. Diese Verstöße seien zur Tatzeit aber nicht strafbar gewesen, urteilte der Richter.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Arzt außerdem vorgehalten, er habe drei Patienten neue Lebern eingepflanzt, obwohl sie nicht richtig aufgeklärt und die Transplantationen medizinisch nicht erforderlich gewesen seien. Auch diese Vorwürfe sah das Gericht nicht als belegt an. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.*
Experte: "System inzwischen manipulationssicher"
Seit August 2013 war in Göttingen an mehr als 60 Tagen gegen den Transplantations-Chirurgen verhandelt worden, dabei waren gut 100 Zeugen und neun Sachverständige zum Teil mehrfach vernommen worden.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2012 war in Deutschland die Zahl der Organspenden deutlich gesunken. Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD), hält das System aber inzwischen für weitgehend manipulationssicher. Durch engmaschige Kontrollen der Transplantationszentren und ein Sechs-Augen-Prinzip seien individuelle Manipulationen, wie sie 2012 in Göttingen aufflogen, inzwischen weitgehend ausgeschlossen, sagte Franke dem Südwestrundfunk. Der Politiker warb für eine höhere Spendenbereitschaft und verwies darauf, dass auf der Warteliste für ein Spenderorgan derzeit im Schnitt pro Tag drei Patienten sterben würden.
dpa/una/LTO-Redaktion
* hier stand zunächst, dass Beobachter davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen wird.
Organspende-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15457 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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