Im Skandal um Spenderorgane muss der angeklagte Chirurg mit einer Haftstrafe rechnen. Das hat das LG Göttingen in einem Zwischenfazit nach 20 Prozesstagen angekündigt. Dennoch entließen die Richter den Arzt gegen Auflagen aus der Untersuchungshaft.
Im Prozess um Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen muss der angeklagte Arzt mit einer Verurteilung rechnen. Das kündigte der Vorsitzende Richter im Landgericht (LG) Göttingen am Montag an. Gleichzeitig setzte das Gericht den Haftbefehl gegen den früheren Chef der Transplantationsmedizin aber außer Vollzug. Um aus der Untersuchungshaft zu kommen, muss der Arzt 500.000 Euro Kaution zahlen und seine Reisedokumente abgeben, weil das Gericht nach wie vor Fluchtgefahr bei ihm sieht. Der Mediziner, der aus dem Nahen Osten stammt, sitzt seit Januar in Untersuchungshaft.
Der Skandal um die manipulierte Vergabe von Spenderorganen an mehreren deutschen Kliniken wurde im vergangenen Jahr bekannt. Der Göttinger Arzt ist der erste, der in diesem Zusammenhang vor Gericht steht. Nach dem Stand der Beweisaufnahme müsse der Medizin-Professor mit einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren rechnen, sagte der Vorsitzende Richter.
Den eigenen Patienten das Leben gerettet
Der Arzt ist angeklagt, weil er Patienten durch falsche Angaben vorzeitig zu Spenderlebern verholfen haben soll. Nach der bisherigen Anhörung von rund 50 Zeugen und fünf Sachverständigen besteht laut Gericht nach wie vor der dringende Verdacht, dass der Mediziner sich des elffachen versuchten Totschlags schuldig gemacht hat.
Zudem hätten Patienten Organe bekommen, obwohl sie entgegen der Vorschriften zuvor nicht sechs Monate lang alkoholabstinent waren. Laut Anklage sind andere schwerkranke Patienten deshalb möglicherweise gestorben. Den eigenen Patienten, sagte Richter Günther, habe der Arzt dagegen das Leben gerettet.
Staatsanwaltschaft will Beschwerde einlegen
Außerdem soll der Arzt drei Patienten Lebern ohne medizinische Notwendigkeit übertragen haben. Die Staatsanwaltschaft wertet dies als Körperverletzung mit Todesfolge. Nach dem Zwischenfazit des Gerichts bestehe in zwei der drei Fälle jedoch kein dringender Tatverdacht mehr. Es könne nicht hinreichend wahrscheinlich festgestellt werden, dass die beiden Patienten nicht doch in die Operation eingewilligt hätten, wären sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Im dritten Fall komme allenfalls fahrlässige Tötung in Betracht. Denn bei der Patientin sei zu Unrecht eine Leberzirrhose diagnostiziert worden.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht trotz der hohen Kaution weiterhin eine akute Fluchtgefahr. Es dürfe dem Arzt angesichts seiner beruflichen Qualifikation leicht fallen, im Ausland eine gut dotierte Position zu finden, sagte Sprecherin Birgit Seel. Sie kündigte Beschwerde gegen die Freilassung des Chirurgen an. Die Kammer begründete ihre Entscheidung damit, dass der Arzt bereits seit elf Monaten inhaftiert gewesen sei, was auf eine Freiheitsstrafe angerechnet werden müsse. Daneben habe er sich kooperativ in der Hauptverhandlung gezeigt und sei nicht vorbestraft. Der Prozess wird im Januar fortgesetzt.
dpa/una/LTO-Redaktion
LG Göttingen zu Organspendeskandal: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10381 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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