Die Hintergründe einer dubiosen Millionenzahlung rund um die Fußball-WM 2006 bleiben wohl für immer im Dunkeln. Vor Gericht wird nun aber immerhin geklärt, ob die Summe vom DFB falsch deklariert worden ist.
Am Montag beginnt der Prozess gegen drei ehemalige DFB-Funktionäre. Vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main geht es um Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall (Az. 5/2 KLs 11/18). Auch der DFB selbst ist von dem Verfahren betroffen.
Angeklagt sind zwei ehemalige Präsidenten des DFB, Theo Zwanziger (2004 bis 2012) und Wolfgang Niersbach (2012 bis 2015) sowie der ehemalige Generalsekretär Horst R. Schmidt. Alle drei waren im Organisationskomitee (OK) für die WM 2006 beteiligt. Bereits 2022 war ein solches Verfahren wegen eines "nicht behebbaren Verfahrenshindernisses" durch das LG Frankfurt eingestellt worden, nachdem zuvor ein Verfahren in der Schweiz schon wegen Verjährung gescheitert war. Ende Mai 2023 hob das OLG Frankfurt den Einstellungsbeschluss des Landgerichts indes auf, da der Aburteilung der Angeklagten das Verbot der Doppelbestrafung nicht entgegenstehe.
In einer Mitteilung des LG Frankfurt heißt es: "Die Angeklagten sollen im Rahmen ihrer damaligen Verantwortlichkeiten die Einreichung inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen veranlasst und hierdurch Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuern sowie Solidaritätszuschlag für das Jahr 2006 in Höhe von über 13,7 Millionen Euro zugunsten des DFB verkürzt haben. Dabei soll eine im Frühjahr 2005 geleistete Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahresabschluss des DFB als Betriebsausgabe für eine WM-Gala geltend gemacht worden sein, obwohl ihr tatsächlich ein anderer Zweck zugrunde gelegen und die Zahlung daher nicht steuermindernd habe verbucht werden dürfen."
"Endlich kommt die Wahrheit auf den Tisch"
Alle drei haben die Vorwürfe stets zurückgewiesen. So sagte Zwanziger vor dem Prozess-Auftakt: "Ich freue mich, dass in einer öffentlichen Hauptverhandlung dieser Fall für jedermann sichtbar aufgeklärt wird. Dann kommt endlich die Wahrheit auf den Tisch, und die muss ich nicht fürchten." Niersbachs Anwälte teilten mit: "Die Hauptverhandlung wird ergeben, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in der Sache unzutreffend sowie rechtlich haltlos sind. Am Ende dieses mehr als acht Jahre andauernden Strafverfahrens kann daher nur ein Freispruch unseres Mandanten stehen."
Nach Auffassung von Dr. Bernd Groß (Feigen Graf) und Prof. Dr. Tilman Reichling (Reichling Corsten), die Schmidt vertreten, dürfte das Verfahren wegen des Verbots der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) bzw. der Doppelverfolgung (Art. 54 SDÜ) gar nicht stattfinden. Sie verweisen auf den gescheiterten Strafprozess in der Schweiz. Abgesehen davon sei der Tatbestand der Steuerhinterziehung schon gar nicht erfüllt. Sie sind überzeugt: "Das Sommermärchen war großartig und die WM 2006 die beste WM aller Zeiten."
Keine neuen Erkenntnisse zu dubioser Einmal-Zahlung erwartet
Neue Erkenntnisse über den Zweck der dubiosen 6,7 Millionen Euro, die der DFB im April 2005 über die FIFA an den französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus überwiesen hatte, sind nicht zu erwarten. Exakt diese Summe hatte Beckenbauer drei Jahre zuvor als Darlehen von Louis-Dreyfus erhalten, diese 6,7 Millionen waren letztlich beim früheren FIFA-Vizepräsidenten Mohammed bin Hammam gelandet.
In dem Prozess geht es ausschließlich um die Frage, ob diese Summe vom DFB in der Steuererklärung falsch verbucht worden ist. Eine Aufklärung der Affäre wird es ohnehin kaum noch geben können, nachdem die wichtigsten Zeugen wie Beckenbauer mittlerweile tot sind. Klar ist lediglich, dass Beckenbauer das Geld 2002 als Privatdarlehen vom französischen Unternehmer Louis-Dreyfus, der mittlerweile ebenfalls gestorben ist, erhalten hatte. Wofür die Millionen letztlich verwendet wurden, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.
Verurteilung hätte Auswirkungen auf den DFB
2017 wurde dem DFB von den Finanzbehörden im Zuge der Affäre rückwirkend die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006 aberkannt. Der DFB musste deshalb rund 22,5 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Eine Klage des DFB gegen diesen Bescheid ist beim Finanzgericht in Kassel bis zum Abschluss des Sommermärchen-Prozesses ausgesetzt – und dürfte nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn Zwanziger, Niersbach und Schmidt freigesprochen werden.
Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt zwecks Festsetzung einer Geldbuße auch die Anordnung der Verfahrensbeteiligung des DFB beantragt (§ 444 StPO in Verbindung mit § 30 OWiG).
Das Verfahren soll voraussichtlich im Juli 2024 abgeschlossen werden. Zeitgleich findet die Europameisterschaft in Deutschland statt.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Prozessauftakt gegen Ex-DFB-Trio: . In: Legal Tribune Online, 04.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54020 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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