Der zweite Prozess um den Tod des zweijährigen Kevin ist am Mittwoch eingestellt worden. Er richtete sich gegen den Amtsvormund, der sich dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung ausgesetzt sah. Eine umfassende Aufarbeitung der staatlichen Versäumnisse unterblieb.
Das Landgericht (LG) Bremen hat den Prozess eingestellt – den Amtsvormund von Kevin jedoch nicht freigesprochen. Die Vorsitzende Richterin betonte, dass der 67-Jährige sich der fahrlässigen Tötung hinreichend verdächtig gemacht habe. Er hätte den Jungen viel früher aus der Obhut seines drogensüchtigen Ziehvaters nehmen müssen. Er muss nun 5.000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen.
Damit endet fast vier Jahre nach der Tragödie die juristische Aufarbeitung des Falls, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Im Oktober hatten Polizisten die in Müllsäcke eingewickelte Leiche des kleinen Jungen im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden. Der kleine Körper war mit blauen Flecken übersäht, die Knochen zertrümmert. Bereits 2008 wurde in einem ersten Prozess der Ziehvater zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Schon damals wurden die furchtbaren Qualen des Kindes und die dramatischen Versäumnisse der zuständigen Behörden deutlich. Diese hatten trotz zahlreicher Hinweise nicht eingegriffen – für den Jungen kam jede Hilfe zu spät.
Der angeklagte Amtsvormund habe unter einer "gravierenden Arbeitsüberlastung" gelitten, betonte die Richterin. Er habe damals 240 bis 270 Kinder betreuen müssen, nach Aussage von Experten seien 50 bis 60 angemessen. Dennoch hätte er tätig werden müssen, als ein Sozialarbeiter ihm die schlimmen Zustände in einer E-Mail geschildert habe.
Ruhig und gefasst nahm der pensionierte Mitarbeiter des Jugendamts die Entscheidung des Gerichts auf. Eigentlich hätte der Sozialarbeiter, gegen den sich die meisten Vorwürfe richteten, neben ihm sitzen sollen. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch wegen krankheitsbedingter Verhandlungsunfähigkeit eingestellt.
Die Deutsche Kinderhilfe bezeichnete die Einstellung des Verfahrens als beschämend. Es sei lange noch nicht aufgeklärt worden, wie es zu Kevins Tod kommen konnte. Auch die unzumutbaren Verhältnisse in der Bremer Sozilabehörde würden in keinem Urteil erwähnt, kritisierte der Verein.
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Alle Verantwortung dem Amtsvormund?
LG Bremen: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1291 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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