Klagen gegen VW nach dem Abgasskandal: LG Braun­schweig will tau­sende Myright-Klagen abweisen

von Pia Lorenz

06.02.2020

Die Rechte ausländischer VW-Käufer kann das Legal-Tech-Unternehmen Myright mit seiner deutschen Inkassolizenz nicht einklagen. Diese Rechtsauffassung des LG könnte rund 8.000 Autokäufer aus der Schweiz und Slowenien viel Geld kosten.

Das Landgericht (LG) Braunschweig hat mitgeteilt, dass es beabsichtigt, eine Klage des Legal-Tech-Unternehmens Myright in Sachen Dieselgate abzuweisen. In dem Verfahren, in dem am Dienstag vor der 11. Zivilkammer mündlich verhandelt wurde, geht es um einen Schweizer, der seinen vom Abgasskandal betroffenen VW in der Schweiz von einem Schweizer Autohändler erworben hat. Er konnte, so das Gericht, seinen mutmaßlichen Anspruch gegen VW wegen eines Verstoßes gegen das Rechtdienstleistungsgesetz (RDG) nicht wirksam an Myright abtreten. Mangels wirksamer Abtretung sei das Unternehmen daher nicht aktivlegitimiert. Damit wäre die Klage, Stand jetzt, als unbegründet abzuweisen, teilte der Vorsitzende Richter Pedro Adelino Serra de Oliveira mit (Az. 11 O 3092/19).

Diese Begründung ist deshalb brisant, weil das Verfahren ein Pilotverfahren für insgesamt weitere 2.004 VW-Käufer aus der Schweiz ist, für die Myright ebenfalls vor der 11. Zivilkammer klagt (Az.  11 O 3136/17). Sie würde ebenso gelten für weitere über 6.000 slowenische Autokäufer, für die Myright ebenfalls am LG Braunschweig klagt. Hier hat die 11. Zivilkammer noch keinen Termin anberaumt. Damit würden insgesamt rund 8.000 Klagen von Myright vor dem LG Braunschweig scheitern.

Im Abgasskandal könnte das besonders gravierende Folgen haben, weil zahlreiche Forderungen gegen VW zwischenzeitlich bereits verjährt sein könnten, wenn die Verjährungsfrist nicht durch Klageeinreichung unterbrochen worden wäre. Der Verjährungsbeginn wird allerdings unterschiedlich beurteilt, Einzelheiten sind umstritten.

VW-Vertreter sieht Vergleich skeptisch: "Ich nehme das mal mit"

Über die Marke Myright macht die Düsseldorfer Financialright GmbH auf der Grundlage einer Inkassolizenz aus abgetretenem Recht Einzelansprüche von Autokäufern geltend. Dieses Geschäftsmodell hält die zuständige 11. Zivilkammer für grundsätzlich zulässig, stellte der Vorsitzende unter Verweis auf das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Zulässigkeit der Legal-Tech-Plattform Wenigermiete.de klar.

Gehe es um aber um einen Fall aus der Schweiz, liege ein Verstoß gegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes vor. Nach der Vorschrift ist die Erbringung außergerichtlicher Dienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie nach dem RDG, einem Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt, erlaubt ist. Die Erlaubnis von Myright, die deutsche Inkassolizenz, könne aber nicht mehr umfassen als die Kenntnisse, die das Unternehmen nachgewiesen und erworben hat, also Kenntnisse im deutschen Recht. Über Kenntnisse im Schweizer Recht zu verfügen, behaupte das Legal-Tech-Unternehmen auch gar nicht; und überschreite damit den Umfang der Inkassoerlaubnis, so das LG.

Ein solcher Verstoß mache, wie auch vom BGH angenommen, die die Forderungsabtretungen der VW-Fahrer an Myright nichtig. Das Legal-Tech-Unternehmen, vor dem LG vertreten durch Wolf H. von Bernuth von der Myright ständig vertretenden US-Kanzlei Hausfeld, wäre dann nicht klagebefugt.

Der Vorsitzende Richter machte den Parteien einen Vergleichsvorschlag: 2.000 Euro pro Schweizer Fall. Das wären bei mehr als 2.000 Betroffenen über 4 Millionen Euro. Zu einem Vergleichsabschluss kam es aber nicht. "Ich nehme das mal mit", erklärte VW-Vertreter Hans-Patrick Schröder von Freshfields. Dr. Jan-Eike Andresen, Mitgründer und Head of Legal bei Myright, sagte gegenüber LTO, man werde den Vergleichsvorschlag konstruktiv prüfen und bewerten.

Beide Parteien können nun noch einmal Stellung nehmen bis zum 20. März, sein Urteil will das Gericht am 22. Mai verkünden.

Bis dahin wird ein anderes Gericht seine Entscheidung längst getroffen haben: Am kommenden Freitag will das LG München I sein Urteil im Fall des sog. LKW-Kartells sprechen. Mehr als 3.000 Spediteure fordern von MAN, Daimler und weiteren LKW-Herstellern 867 Millionen Euro Schadensersatz wegen verbotener Preisabsprachen (Az. 37 O 18934/17). Auch die Transportunternehmen haben ihre Ansprüche an die Financialright GmbH abgetreten - unter ihnen auch viele mit Sitz im Ausland.

Zitiervorschlag

Klagen gegen VW nach dem Abgasskandal: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40159 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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