Sollen Schwangerschaftsabbrüche künftig noch unter Strafe stehen? Mit dieser schwierigen Frage haben sich Experten monatelang auseinandergesetzt. Der Abschlussbericht sieht Änderungen vor, auch bei Leihmutterschaften und Eizellspenden.
In der Debatte um neue Regeln für Schwangerschaftsabbrüche werden Empfehlungen einer Expertenkommission erwartet. Einem Spiegel-Bericht zufolge will eine Arbeitsgruppe unabhängiger Experten der Bundesregierung die generelle Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Wochen empfehlen. Das Nachrichtenmagazin bezog sich auf den Abschlussbericht der Kommission, die die Bundesregierung mit der Prüfung dieser Frage beauftragt hatte. Laut Spiegel legen die Experten der Bundesregierung nahe, die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Abbrüchen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu überdenken.
"Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft ist nicht haltbar", heißt es in dem Abschlussbericht, der dem Spiegel vorliegt. Der Gesetzgeber solle Abbrüche innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen deshalb erlauben, schreiben die Expertinnen laut Spiegel. Offiziell vorgestellt wird der Bericht am kommenden Montag.
Grundsätzliche Rechtmäßigkeit bis zur 12 Woche
Nach geltende Rechtslage sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich rechtswidrig (§ 218 Strafgesetzbuch (StGB)). Allerdings gibt es umfassende Ausnahmen, vor allem wenn der Abbruch im Rahmen der sogenannten Beratungsregelung durchgeführt wird – also innerhalb der ersten zwölf Wochen erfolgt und die Schwangere sich zuvor einer Pflichtberatung unterzogen sowie eine Wartefrist eingehalten hat.
Laut Spiegel-Bericht geht die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission von Verfassungswidrigkeit der Regelung aus. Die derzeitigen Regelungen im Strafgesetzbuch hielten einer "verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung" nicht Stand. Stattdessen müssten Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich als rechtmäßig gelten, wobei es gleichwohl bei einer Beratungspflicht bleiben dürfe. In der Spätphase ab der 22. Woche müsse es bei der Strafbarkeit bleiben, was in der Zwischenphase geregelt werde, liege im Ermessen des Gesetzgebers. Bei Unzumutbarkeit der Schwangerschaft müsse eine Abtreibung jedenfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein.
Neuregelungen zur Eizellenspende, Leihmutterschaft soll verboten bleiben
Auch soll es nach der Kommission das Verbot der Eizellenspende fallen. Eine Legalisierung der Eizellspende sei zulässig, "sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet", zitiert der Spiegel aus dem Abschlussbericht.
Was die Leihmutterschaft angeht, könne es bei einem Verbot bleiben. Allerdings ließe sich auch über eine Zulassung in bestimmten Fällen nachdenken, wenn der Schutz der Leihmutter und das Kindeswohl hinreichend gewährleistet werden. Voraussetzung sei, dass Eltern und Leihmutter sich zum Beispiel durch ein familiäres Verhältnis kennen oder eine Vereinbarung treffen, dass eine Beziehung zwischen beiden Parteien noch über die Geburt hinaus bestehe, zitiert der Spiegel. Gesetzlich vorzusehen wäre zudem, dass eine Leihmutter eine "angemessene Aufwandsentschädigung" erhält.
Die Empfehlungen der Kommission sind für die Bundesregierung nicht bindend. Sie gelten aber als wichtige Grundlage für potenzielle Neuregelungen bei Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft und Eizellspenden.
Bundesjustizministerium ärgert sich über Leak
Gegenüber LTO äußerte eine Sprecherin des BMFSJ: "Die Kommission arbeitet vollkommen unabhängig und im vertraulichen Kreis der ausgewählten Expertinnen und Experten. Das ist bei diesen komplexen und sensiblen Fragestellungen aus unserer Sicht wesentlich. Wir bedauern daher, dass Inhalte der Beratungen vorab an die Öffentlichkeit gelangt sind. Die Kommission wird die Ergebnisse ihrer Arbeit am 15. April in Form eines Abschlussberichts der Bundesregierung vorlegen. Dieser Abschlussbericht wird nicht nur die Ergebnisse und etwaige Handlungsempfehlungen beinhalten, sondern auch die entsprechenden Begründungen. Wir werden auf diesen Abschlussbericht warten und die aktuelle Berichterstattung nicht kommentieren."
Die Bundesregierung hatte die Kommission unter großer Kritik der Union kurz nach ihrem Amtsantritt eingesetzt. Sie soll prüfen, ob Schwangerschaftsabbrüche weiterhin im Strafgesetzbuch geregelt werden sollen. Eine Abtreibung ist in Deutschland nach § 218 StGB grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet innerhalb der ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Nicht strafbar ist ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Familienministerin Paus hatte in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass sie sich eine Neuregelung vorstellen könne. Die derzeitige Rechtslage wurde im LTO-Interview auch von Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der HU Berlin, stark kritisiert.
Union droht mit Gang nach Karlsruhe
Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hatte bereits im ersten Jahr ihrer Amtszeit eine weitreichende Gesetzesänderung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen auf den Weg gebracht: Sie schaffte den umstrittenen § 219a StGB ab, der zuvor das "Werbeverbot" für Abtreibungen geregelt und immer wieder dazu geführt hatte, dass Ärztinnen und Ärzte sich strafbar machten, wenn sie öffentlich Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellten. Eine Abschaffung von Paragraf 218 wäre noch weitreichender, da er Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich nicht mehr unter Strafe stellen würde. Eine solche Neuregelung lehnen AfD und Union strikt ab.
Falls sich die Ampel-Koalition entsprechende Vorschläge einer Arbeitsgruppe unabhängiger Experten der Bundesregierung zu eigen mache, "würde das zwangsläufig dazu führen", dass man in Karlsruhe klagen werde, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten, Thorsten Frei, am Dienstag in Berlin.
Frei warnte eindringlich davor, mit einem solchen Vorstoß gesellschaftliche Konfliktlinien nach dem Kompromiss um das Abtreibungsrecht aus den 1990er Jahren wieder neu aufzureißen. Dies sei "grundüberflüssig" in einer Situation, in der die Koalition ganz andere Probleme zu bewältigen habe wie etwa die Wirtschaftskrise oder die steigende Kriminalitätsrate. "Es wäre grundfalsch, weitere gesellschaftliche Konflikte zu provozieren", betonte der CDU-Politiker. Es gebe zu dem Thema zwar noch keinen Beschluss der Fraktion. Aber "ich bin mir ziemlich sicher, dass ich da auch für die Fraktion sprechen kann".
Kürzlich wurde in Frankreich bereits eine umfassende Liberalisierung des Abtreibungsrechts beschlossen, ein Recht auf Abtreibung hat dort nun Verfassungsrang.
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Die wichtigsten Rechtsdebatten des Landes – verständlich und kontrovers aufbereitet – im neuen LTO-Podcast "Die Rechtslage"
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dpa/jb/LTO-Redaktion
Ampelkommission zu § 218 StGB: . In: Legal Tribune Online, 09.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54284 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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