Wer seine Vorgesetzten heimlich aufnimmt, verletzt arbeitsvertragliche Rücksichtsnahmepflichten. In besonderen Situationen kann eine Kündigung deswegen aber dennoch unwirksam sein, erklärt das LAG in Mainz.
Eine heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetzten führt nicht per se zur Kündigung, hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) entschieden (Urt. v. 19.11.2021, Az. 2 Sa 40/21).
Ein Kassierer, der seit 17 Jahren für das gleiche Unternehmen arbeitet, hatte an einem Arbeitstag seinen Arbeitsplatz 15 Minuten früher verlassen. Deswegen kam es am nächsten Morgen mit einer Kollegin zum Streit. Im Anschluss daran hatte der Kassierer seinen Vorgesetzten über den Ladenfunk ausgerufen und ihn um ein Gespräch gebeten. Aber auch zwischen den beiden war es zum Streit gekommen. Die Auseinandersetzung nahm der Kassierer, ohne das Wissen des Vorgesetzten, mit seinem Handy per Audio auf. Später kündigte das Unternehmen den Kassierer. Die heimliche Aufnahme sei ein besonders wichtiger Grund, begründete der Arbeitgeber die Kündigung.
Jedoch hatte der Kassierer behauptet, dass der Vorgesetzte zuvor ihm gegenüber unsachgemäße, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt habe. In Anbetracht der Vier-Augen-Situation habe er keinen anderen Rat gewusst, als das Gespräch aufzuzeichnen. Er wollte das aus seiner Sicht grenzüberschreitende Verhalten dokumentieren können. Er habe daher sein Verhalten als gerechtfertigt angesehen, auch weil er sich einer eventuellen Verwirklichung des Straftatbestandes von § 201 StGB nicht bewusst gewesen sei. Er habe damit im Verbotsirrtum gehandelt. Jedenfalls habe ein rechtfertigender Notstand vorgelegen.
Das LAG sieht sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung als unwirksam an. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs "an sich" geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es komme auch nicht zwingend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend sei die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Allerdings überwiege in diesem Fall das Interesse des Kassierers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Verbotsirrtum des Kassierers
Grund dafür seien die vorausgegangenen beleidigenden bzw. diskriminierenden Äußerungen des Vorgesetzten, die ebenfalls das Persönlichkeitsrecht des Kassierers verletzen, so das LAG. Durch seine Aussage gegenüber dem Angestellten, dass wenn er etwas sagen würde, er den Spieß umdrehen und man ihm doch sowieso nicht glauben würde, habe er erst die erfolgte Gesprächsaufzeichnung veranlasst. Es sei verständlich, dass der Kassierer diese Situation als auswegslos angesehen habe, erklärte das Gericht. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die heimliche Gesprächsaufzeichnung nicht gerechtfertigt war, habe sich der Kassierer zumindest über die Pflichtwidrigkeit seines Tuns geirrt. Ein darin liegender - wenn auch vermeidbarer -Verbotsirrtum sei jedenfalls bei der Gewichtung der Pflichtverletzung zu berücksichtigen. Das lasse das Verhalten des Kassierers in einem deutlich milderen Licht erscheinen, so das Gericht.
Auch eine ordentliche Kündigung erscheine in Anbetracht der dargestellten besonderen Situation nicht als angemessen. Der Kassierer habe sich, nach seinem unwiderlegten Vortrag, spontan zu der heimlichen Tonaufzeichnung veranlasst gesehen. Eine Kündigung sei eine unverhältnismäßige Reaktion.
cp/LTO-Redaktion
LAG Rheinland-Pfalz: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47895 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag