365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag bietet das Unternehmen Telefonsex an. Die Telefonistinnen wurden als Freiberuflerinnen geführt. Das LAG sieht sie aber so ihrer Selbständigkeit beraubt, dass es sie als Arbeitnehmerinnen einordnete.
Als Freiberuflerinnen geführte Telefonsexdienstleisterinnen sind Arbeitnehmerinnen, wenn sie durch eine einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise ihrer Selbstständigkeit beraubt werden, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstvertrag hinausgeht. Das entschied das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) in zwei Verfahren (Beschl. v. 25.8.2020, Az. 9 Ta 217/19, 9 Ta 98/20).
Ein Unternehmen bietet in Köln sexuelle Dienstleistunden im Schichtbetrieb per Telefon an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden am Tag an. Dazu wurden verschiedene Telefonistinnen beschäftigt, die als Freiberuflerinnen geführt wurden. Den Telefonistinnen wird dazu ein etwa sechs bis acht Quadratmeter großer Raum mit Tisch, Stuhl, Computer und drei Telefonen zur Verfügung gestellt. Dafür haben die Telefonistinnen ein Entgelt von 50 Euro im Monat zahlen. Ihre gewünschten Arbeitszeiten können sie in Dienstpläne eintragen.
Bei ihrer Tätigkeit wählen die Telefonistinnen einen Alias-Namen und Fotos aus einem Pool des Unternehmens aus. Sie werden während der gesamten Arbeitszeit von einer an der Decke befestigten Videokamera gefilmt und aufgezeichnet und auch die geführten Telefonate werden mitgeschnitten. Auch das Verhalten im Rahmen der Dienste und die Beziehung zu den Kunden wird "in vielfältiger Weise" von dem Unternehmen mitgestaltet.
Arbeitnehmerin mangels Marktpräsenz und eigenem Kundenstamm
Zwei der Telefonistinnen wandten sich unter anderem wegen diverser Zahlungsansprüche an das Arbeitsgericht. Das verwies sie mangels Arbeitnehmereigenschaft an das Landgericht. Auf Beschwerde der Telefonistinnen änderte das LAG diese Beschlüsse nun aber und bejahte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aufgrund der Arbeitnehmerinneneigenschaft der Telefonistinnen.
Das LAG begründete die Arbeitnehmerinneneigenschaft damit, dass durch die Audio- und Videoüberwachung sowie durch die enge Einbindung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eine eigenständige, für selbständige Freiberuflerinnen wichtige eigene Marktpräsenz der Frauen verhindert worden sei. Sie hätten keinen unabhängigen Kundenstamm aufbauen können wegen der durch das Unternehmen vorgegebenen Verwendung der Alias-Profile und auch die durch "die weiteren Beschäftigungsmodalitäten vermittelte Fremdbestimmung überlagere die Umstände, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnten", führte das LAG aus.
Die Entscheidungen sind unanfechtbar.
ast/LTO-Redaktion
Videoüberwacht in einem Sechs-Quadratmeter-Büro: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42662 (abgerufen am: 18.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag