Alexander Dobrindts Vorwurf einer "Anti-Abschiebe-Industrie" hallt nach. Gerade auch die Überprüfung von Asylbescheiden gehöre zu einer unabhängigen Justiz, so die BRAK, die jetzt Stellung bezog.
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) weist die von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Zusammenhang mit Asylverfahren wiederholt gegen die deutsche Anwaltschaft erhobenen Vorwürfe mit Nachdruck zurück. Er hatte behauptet, eine "Anti-Abschiebe-Industrie" nutze die Mittel des Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen. 2015 seien die Grenzen überrannt worden, jetzt versuchten "Abschiebe-Saboteure" das gleiche mit den Gerichten.
Bereits direkt nach Dobrindts Interview hat der Vorsitzende des Ausschusses für Asyl- und Ausländerrecht der BRAK, Rechtsanwalt Dr. Stephan Hocks, sein Befremden über die Begrifflichkeit geäußert. "Diese Ausdrucksweise verärgert mich, weil sie unterstellt, dass es Anwälte und Berater gibt, die aus kommerziellen Interessen Abschiebungen verhindern. Der Ausdruck 'Industrie' suggeriert etwas organisiertes, massenhaftes und gewinnorientiertes. Berater und Anwälte, die sich für Asylsuchende einsetzen, tun dies im Einzelfall und aus berechtigten Gründen – und sie schwimmen weiß Gott nicht in Geld", konstatierte Hocks.
"Anwaltschaft bekämpft nicht den Rechtsstaat"
Auch BRAK-Vizepräsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Thomas Remmers hat keinerlei Verständnis für die am Wochenende mit anderer Wortwahl wiederholte Behauptung, die Anwaltschaft sabotiere Abschiebungen. "Es gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Grundsätzen in Deutschland, dass sämtliche staatlichen Entscheidungen einer Überprüfung durch die unabhängige Justiz unterworfen werden können. Dies gilt selbstverständlich auch für alle Asylbescheide oder sonstigen Entscheidungen über aufenthaltsrelevante Fragen", so Remmers.
Sicher gebe es einige Probleme bei der Verfahrensdauer sowohl in der Verwaltung als auch bei den Gerichtsverfahren. Unzureichende Ressourcen für Verwaltung und Justiz seien aber ein Problem der Politik, nicht aber der Vielzahl von engagierten Beamten und Verwaltungsmitarbeitern oder der in diesem Bereich tätigen Richterschaft.
"Und schon gar nicht ist die Anwaltschaft für diese Probleme verantwortlich: Denn alle Anwältinnen und Anwälte […] bekämpfen nicht den Rechtsstaat, sondern setzen ihn um und tragen so zum gesellschaftlichen Frieden bei. Eine Pauschalverurteilung der gesamten Anwaltschaft verbietet sich also", resümiert Remmers.
mgö/LTO-Redaktion
Kritik an Dobrindts "Anti-Abschiebe-Industrie": . In: Legal Tribune Online, 15.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28603 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag