Kann man 15-Euro-Jeans unter menschenwürdigen Bedingungen herstellen? Und müssen deutsche Firmen jetzt hierzulande mit Klagen rechnen, wenn in den Fabriken ihrer Lieferanten im Ausland Arbeiter sterben? Eine Klage gegen den Textilhändler KiK könnte zum Präzedenzfall werden.
Die Opfer des verheerenden Brandes in einer pakistanischen Textilfabrik haben den Textildiscounter KiK in Deutschland auf Schadenersatz verklagt. Durch das Feuer in der Fabrik, die hauptsächlich für KiK produzierte, waren im September 2012 in Karachi mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der Kläger war die Zahl der Toten damals so hoch, weil das Gebäude vergitterte Fenster hatte, so dass die brennende Fabrik für viele Arbeiter zur tödlichen Falle wurde.
Der Berliner Anwalt Remo Klinger reichte die Klage am Freitag im Namen von drei Hinterbliebenen und einem gesundheitlich beeinträchtigten früheren Arbeiter der Fabrik Ali Enterprises beim Landgericht (LG) Dortmund ein. Es ist nach Auskunft des Deutschen Instituts für Menschenrechte die erste zivilrechtliche Klage dieser Art in Deutschland. Ob das Gericht sie annehmen wird, ist noch offen.
Der Fall könnte möglicherweise Signalwirkung auch für andere Firmen haben, die ihre Produkte in Billiglohnländern herstellen lassen. "So kehrt die Globalisierung in gewisser Weise wieder hierher zurück", sagte Klinger. "Der Fall zeigt die Notwendigkeit, dass Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sich ihrer Verantwortung in den Produktionsländern stellen müssen, damit solche Katastrophen nicht mehr vorkommen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Hans-Joachim Fuchtel (CDU).
Keine einheitlichen Sicherheitsstandards
Die Kläger werden in dem Verfahren von der Hilfsorganisation Medico International sowie vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) beraten und finanziell unterstützt.
Eine KiK-Sprecherin erklärte auf Anfrage, das Unternehmen habe schon eine Million US-Dollar bereitgestellt und sei zu weiteren Hilfszahlungen bereit. Man fühle zwar eine "moralische Verantwortung", weil in der Fabrik zum Zeitpunkt des Unglücks Kleidung für KiK produziert worden sei. "Eine ursächliche Mitverantwortung für die Brandkatastrophe wird hingegen zurückgewiesen", hieß es in einer Stellungnahme.
Eine Gruppe von Überlebenden und Hinterbliebenen hatte ein Angebot des Unternehmens aus Bönen bei Dortmund als nicht ausreichend abgelehnt. In der Klageschrift heißt es nun, KiK sei für die "katastrophalen Brandschutzvorkehrungen" in dem Fabrikgebäude mit verantwortlich. Unter anderem hätte Vertretern von KiK, die das Gebäude besucht hätten, auffallen müssen, dass dort Notausgänge fehlten und zahlreiche Fenster mit Eisen vergittert gewesen seien.
"Seit Jahren sehen wir, dass freiwillige Textilsiegel und Standards rein gar nichts gegen die oft sklavenartigen Produktionsbedingungen und mangelnden Sicherheitsvorkehrungen in der Textilproduktion ausrichten", erklärte der Linke-Obmann im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Niema Movassat.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte unter dem Eindruck mehrerer Brandkatastrophen in asiatischen Textilfabriken 2014 ein "Textilbündnis" für Mindeststandards bei ausländischen Lieferanten deutscher Textilhersteller ins Leben gerufen. Diesem Bündnis haben sich die meisten großen Hersteller bislang aber nicht angeschlossen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Brand in pakistanischer Textilfabrik: . In: Legal Tribune Online, 16.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14954 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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