Seit Anfang 2023 gelten Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltige Investitionen. Diese Entscheidung der EU-Kommission hat harsche Kritik nach sich gezogen. Nun ziehen die Umweltorganisationen vor das Gericht der EU.
Mehrere Umweltorganisationen ziehen gegen die EU-Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundlich vor Gericht. Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der World Wild Fund (WWF) haben mit anderen Gruppen Klagen vor dem Gericht der EU gegen die sogenannte Taxonomie eingereicht, wie die Verbände am Dienstag mitteilten. Das ist eine Art Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte: Die Europäische Union listet darin Bereiche auf, in die investiert werden kann, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Der Vorwurf lautet auf "Greenwashing"
Die Klägerinnen und Kläger werfen der EU-Kommission "Greenwashing" vor. Die Technologien würden durch das Label als klimafreundlich gekennzeichnet werden, obwohl sie es nach Ansicht der Umweltverbände nicht sind. Am Dienstag wollten die Gruppen vor dem Gerichtshof mit Bannern gegen die Klimapolitik der EU protestieren.
"Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein", sagte die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Nina Treu. Grünes Geld dürfe nicht für Industrien missbraucht werden, die uns erst in die Natur- und Klimakrise geführt hätten.
Während Greenpeace gegen das grüne Label für Atom und Gas vorgehen will, richtet sich die Klage anderer Gruppen speziell gegen die Einstufung von Gas. "Mit der Entscheidung, fossiles Erdgas als klimafreundlich zu klassifizieren, hat sich die EU-Kommission sowohl faktisch als auch rechtlich auf sehr dünnes Eis begeben", so der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.
Investitionen in Gas- oder Atomkraftwerke gelten seit einer Entscheidung der EU-Kommission Anfang 2023 als klimafreundlich. Das sorgt seither für Diskussionen und Kritik, da beim Verbrennen von Gas klimaschädliches CO2 ausgestoßen wird und bei der Nutzung von Atomenergie radioaktiver Müll entsteht. Österreich und Luxemburg klagen ebenfalls gegen die EU-Taxonomie. Auch andere EU-Staaten standen dem Vorhaben kritisch gegenüber.
"Greenwashing" ist kein unbekanntes Phänomen. Erst kürzlich hat sich die Kommission selbst für höhere Mindeststandards für Unternehmen eingesetzt, wenn diese Waren als klimafreundlich oder nachhaltig bewerben. Auch deswegen stößt die Einstufung der Kommission auf breites Unverständnis.
Gas- und Atomkraft auf einer Stufe mit Wasser- und Windenergie
Im vergangenen Jahr wurde bereits entschieden, unter anderem die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt. Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission dann Ende vergangenes Jahr vor, dass auch Geldanlagen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich gelten sollen.
Eine entscheidende Rolle spielte dabei Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht. So gab der französische Stromerzeuger Electricité de France kurz nach der Aufnahme von Atomkraft in der Taxonomie bekannt, durch die Ausgabe von grünen Anleihen die Instandhaltung seiner alten Atomreaktoren finanzieren zu wollen. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.
Nun muss das Gericht der EU darüber entscheiden, ob die Einstufung für Atomkraft und Gas als klimafreundlich gerechtfertigt ist. Die mündliche Verhandlung wird für das kommende Jahr erwartet. Mit einem Urteil ist allerdings nicht vor dem Jahr 2025 zu rechnen.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Umweltverbände klagen gegen EU-Taxonomie: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51570 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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