Zu der Trojaner-Attacke mussten sich der Berliner Justizsenator und der KG-Präsident im Abgeordnetenhaus erklären. Derweil stellt das Gericht für seine Mitarbeiter "Notfalls-PCs" und "Schleusen-PCs" auf.
Nach einem Trojaner-Angriff Ende September wurde das Berliner Kammergericht (KG) vom Internet und vom Landesnetz getrennt – nun läuft am KG die Kur und im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhaus die Aufklärung. Noch immer ist nicht ganz klar, wie schlimm die Folgen des Angriffs ausfallen und warum die digitale Attacke überhaupt erfolgreich sein konnte.
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) versicherte, dass keine Daten gestohlen wurden. "Wir gehen nicht von einem gezielten Angriff aus", sagte er am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. Das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) – und wohl nicht das KG – hatte den Virus im Computersystem Ende September bemerkt.
Die oppositionelle CDU-Fraktion kritisierte, dass der Justizsenator nicht umgehend den Parlamentsausschuss informiert habe. Der CDU-Abgeordnete Sven Rissmann warf dem Grünen-Politiker Untätigkeit vor. Das Gericht sei de facto handlungsunfähig.
Nachdem KG-Präsident Bernd Pickel bereits am Mittwoch im Rechtsausschuss Stellung bezogen hatte, veröffentliche das KG am Donnerstag eine ausführliche Pressemitteilung. Darin wird betont, dass auch weiterhin keine Hinweise auf Verschlüsselungsaktivitäten durch den Trojaner oder auf einen Verlust bzw. Abfluss von Daten gefunden worden seien.
Im Vorfeld des Angriffs habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass die bisherige Computerausstattung des KG Angriffe mit einer Schadsoftware wie "Emotet" möglich machen bzw. begünstigen könnte. Das KG sei mit einer professionellen Antivirensoftware ausgestattet, die dem letzten technischen Stand entspreche. Die Prüfung durch den Hersteller habe ergeben, dass es aktuell und korrekt betrieben werde. Alle erforderlichen Software-Updates und Supports seien regelmäßig durchgeführt worden.
Digitales Aufrüsten am Kammergericht
In einem schrittweisen Modernisierungsprozess der IT an den Berliner Gerichten habe das KG am Ende der Reihe gestanden. Zuerst seien Amtsgerichte und das Landgericht an der Reihe gewesen, weil die mit einer viel größeren Zahl von Verfahren befasst seien.
Am KG seien nun sogenannte "Notfall-PCs" aufgestellt worden, mittlerweile 60 Stück, wie das Gericht mitteilte. Dadurch soll der provisorische Dienstbetrieb aufrecht erhalten werden. Die ersten Abteilungen seien mit neuen E-Mail-Adressen ausgestattet worden. Die E-Mail mit der Pressemitteilung wurde am Donnerstag über eine E-Mail-Adresse des Amtsgerichts verschickt. Das KG war nach dem Angriff nur telefonisch und über Telefax sowie postalisch, nicht aber per E-Mail erreichbar.
Außerdem werde noch diese Woche im KG ein sogenannter "Schleusen-" bzw. Transfer-PC aufgebaut, mit dem die Mitarbeitenden erstmals seit dem Trojaner-Angriff wieder auf eine sicherheitstechnisch unbedenkliche Weise Daten in die gesicherte IT-Umgebung importieren und damit arbeiten können sollen.
Das KG werde künftig – wie die übrigen Gerichte der Berliner ordentlichen Gerichtsbarkeit auch – zum ITDZ gehören. In diesem Zusammenhang werde die eigentlich erst für die Einführung der E-Akte geplante Anschaffung von Laptops mit einer VPN-Technik vorgezogen, damit Mitarbeitende mit sicherer elektronischer Technik nicht nur im Gericht, sondern auch zuhause arbeiten können.
Mit Material der dpa
Markus Sehl, Nach Trojaner-Angriff in Berlin: . In: Legal Tribune Online, 01.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38509 (abgerufen am: 18.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag