Kärcher vs. Tennant: Posse um angebliches Wunderwasser

02.10.2011

Der für seine Hochdruckreiniger bekannte Reinigungsriese Kärcher wehrt sich juristisch gegen die Werbung der Konkurrenz. Das geschieht mit ungewohnt starker Öffentlichkeitsarbeit. Der Fall ist ein Beispiel für den Trend zu regelrechtem Prozessmarketing.

Kocht die Konkurrenz auch nur mit Wasser oder vielleicht doch nicht? Um diese Frage tobt ein Streit in der Reinigungsbranche, der auf den ersten Blick Stoff für eine Hollywood-Komödie bietet. Die Akteure: Branchenprimus Kärcher - Weltmarktführer bei Reinigungstechnik - und der Konkurrent Tennant aus den USA. Kern des Streits: Tennant behauptet, in seinen Bodenscheuermaschinen Leitungswasser mit Hilfe von Strom derart aufbereiten zu können, dass Reinigungsmittel überflüssig werden. Für die Saubermänner von Kärcher ist das "wettbewerbwidrige Werbung" und wissenschaftlich unhaltbar. Kurz gesagt: eine ganz unsaubere Methode.

Kärcher hat Tennant verklagt und will das Unternehmen (knapp 500 Millionen Euro Umsatz, rund 2800 Angestellte) zwingen, nicht mehr mit dem Wunderwasser zu werben. Die Gegenseite aber wäscht ihre Hände in Unschuld. Tennants Chef Chris Killingstad sagt: "Wir verurteilen aufs Schärfste jeglichen Versuch, unsere Reputation zu diskreditieren oder
unsere Technologie zu verunglimpfen." Kärcher jedoch fürchtet für die ganze Branche verwaschene Grundsätze und hält dagegen: "Es geht uns um den Schutz der Kunden vor irreführenden Werbeversprechen."

Nicht Umsätze, sondern die Seriösität müsse verteidigt werden

Tennant sieht bei Kärcher eine ganz andere Triebfeder für den Gang vor Gericht: Die Baden-Württemberger hätten wohl Angst, dass die Innovation aus den USA Marktanteile koste. Tennant nennt seine Technik zum Aktivieren des Wassers "ec-H2O". Der Erfolg ist gegeben: 17 Millionen US-Dollar Umsatz im Jahr 2008, 50 Millionen im Jahr darauf und schon 96 Millionen im vergangenen Jahr. "Wir finden es kurios, dass Kärcher jetzt, nach drei Jahren (...) unsere ec-H2O Werbung angreift", sagt Killingstad.

Kärcher-Chef Jenner weist das zurück. Sein Unternehmen habe auf dem fraglichen Geschäftsfeld der "Scheuersaugmaschinen" in den vergangenen Jahren und auch 2011 kräftig zugelegt. Die Seriosität der Branche stehe auf dem Spiel, Kärcher als Marktführer müsse handeln. So lustig das alles auch zunächst scheint: Letztendlich geht es um knallharte Geschäftsinteressen, um Expansion, Konkurrenz und Jobs.

Rund 35 000 Euro hat sich der Weltmarktführer ein Gutachten kosten lassen, das die Funktion und die Resultate von ec-H2O analysierte. Das vernichtende Fazit: Der Effekt mit herkömmlichem Wasser ist derselbe. Das "Aktivieren" des Wassers halte nur Bruchteile von Sekunden an - die Wirkung zerfalle, lange bevor der Schmutz angegriffen werde.

Kein Verfahren ohne PR-Agentur

Kärcher möchte nichts dem Zufall überlassen. Die Pressestelle hat sich für die Öffentlichkeitsarbeit Hilfe geholt und eine hoch-spezialisierte PR-Agentur aus Berlin engagiert. Deren Aufgabe: Kommunikationsprozesse während juristischer Auseinandersetzungen zur Zufriedenheit der Kunden gestalten. Dieser Trend kommt aus den USA und ist in der Medienbranche spätestens seit dem Prozess um den Wettermoderator Jörg Kachelmann ein kontrovers diskutiertes Thema.

Die schwäbische Firma rüstet zudem ihre Internetseiten auf und hat dort ein Blog gestartet. Unternehmenslenker Jenner sagt: "Das Blog hilft uns, die Öffentlichkeit sachlich, umfassend und offen über den Sachverhalt zu informieren." Letztendlich ist es einfach Werbung. Auch dieser Trend ist nicht neu. Die PHW-Gruppe, unter deren Dach der oft kritisierte Geflügelriese Wiesenhof steht, lässt sich auch von einer Spezialagentur beraten. In deren Online-Auftritt heißt es: "Der Druck der öffentlichen Meinung, erzeugt durch Medienberichte, hat schon so manchen Richter beim Urteilen beeinflusst."

Auch ohne säubernde Wirkung: immerhin umweltfreundlich

Und auch die Gegenseite in den USA ist nicht untätig. Schon auf der Startseite des Tennant-Internetauftritts prangt in großen Lettern ein Verweis darauf, dass man sich seiner Sache sicher sei und der Angriff von "Germany-based Karcher" aufs Schärfste zurückzuweisen sei. Auch Tennant führt Expertisen von Gutachtern ins Feld.

Abseits der Frage, ob die Konkurrenz nun auch nur mit Wasser kocht, ist ein Aspekt der Werbung bisher unwidersprochen: Tennants Technik hilft, Chemie zu sparen. Die US-Firma fasst das unter "sauberere, sicherere, gesündere Welt" zusammen. Das grüne Verkaufsargument, dass ec-H2O den Geldbeutel und die Umwelt schone, scheint zu ziehen.

Kärcher wertet es derweil als Erfolg, dass die Formulierung, ec-H2O könne Wasser in einen starken Reiniger verwandeln, seit kurzem nicht mehr auf der Tennant-Internetseite zu finden ist. Dort heißt es nun nur noch, die Technologie sei eine Lösung, die besser funktioniere als alltägliche Chemikalien für die Bodenreinigung. Die regelrechte "Feindbeobachtung" mündete natürlich in einem Blog-Eintrag. Ob Tennant wirklich eine weiße Weste hat, werden
Richter beurteilen.

dpa/ssc/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

Kärcher vs. Tennant: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4451 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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