Kabinett beschließt Gesetz: Ein kleines bis­schen Gerichts­fern­sehen

von Pia Lorenz

31.08.2016

Wichtige Urteilsverkündungen der Bundesgerichte sollen künftig auch live im Fernsehen und im Internet zu sehen sein. Aber nur, wenn das Gericht selbst das auch so will. Das Kabinett billigte am Mittwoch sehr gemäßigtes Court-TV.

Das Bundeskabinett hat den von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren beschlossen. So deutsch, wie der Name des Gesetzes klingt, so abwägend und nachdenklich lesen sich seine Gründe, so kompromissbereit und gemäßigt seine Vorschläge, die noch der Zustimmung des Bundestags bedürfen. Wer glaubt, die "Lockerung" des seit 1964 bestehenden Verbots von Fernseh- und Rundfunkaufnahmen in Gerichtssälen in § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) führe zu ungezügelten oder gar zu den gefürchteten gern zitierten "amerikanischen" Verhältnissen, kann beruhigt aufatmen.

Zukünftig können von Verkündungen der Entscheidungen der Bundesgerichte in besonderen Fällen Ton-, Fernseh-, Rundfunk- und Filmaufnahmen gemacht werden. Das gilt für alle Verfahrensarten, ist also nicht auf Strafverfahren beschränkt. Die Neuregelung in § 169 Abs. 3 GVG ist ausdrücklich als Ermessensregelung ausgestaltet, die Entscheidung liegt also beim Gericht.

Alle Gerichte können in Verfahren, an denen es ein großes öffentliches Interesse gibt, künftig Medienarbeitsräume einrichten. Dort können Pressevertreter der Tonübertragung lauschen, so dass auch diejenigen berichten können, die im Sitzungssaal keinen Platz mehr gefunden haben. Und schließlich erlaubt der vom Kabinett verabschiedete Entwurf es einem Gericht, Verfahren insgesamt aufzuzeichnen, die "von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland" sind.

"Auch im Interesse der Bundesgerichte"

Der Umgang mit modernen Kommunikationsformen lasse ein generelles Verbot nicht mehr zeitgemäß erscheinen, begründete Maas am Montag den Entwurf. Das Gesetz, das er als einen weiteren Schritt zur Modernisierung der Justiz bezeichnete, war keineswegs unumstritten.

Insbesondere seine Hauptakteure, die Richter an den obersten Bundesgerichten, hatten sich im Vorfeld deutlich gegen eine Lockerung des § 169 GVG ausgesprochen. Nicht nur die Präsidentin des Bundesgerichtshofs, Bettina Limperg, begründete das mit der Furcht der Bundesrichter davor, dass ihre Äußerungen aus dem dem Zusammenhang gerissen oder gar in Satire-Magazinen oder im Netz lächerlich gemacht würden.

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) konnte die wichtigsten Richter Deutschlands damit nicht überzeugen. Die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte wirke sich auf das gesellschaftliche Zusammenleben aus, erklärte Maas. "Da kann es nur helfen, wenn das allen interessierten Menschen noch näher gebracht wird, indem sie sich solche Urteilsverkündigungen ansehen können", so der Minister. Deshalb liege eine mediale Vermittlung ihrer Entscheidungen auch im Interesse der höchsten Gerichte, heißt es knapp in der Gesetzesbegründung. Die nimmt gar Bezug auf die besondere Qualifikation und Erfahrung der Bundesrichter. Aber es ist eine äußerst moderate Öffnung.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Kabinett beschließt Gesetz: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20431 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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