In Folge von Stelleneinsparungen und steigendender Komplexität der Verfahren regt sich bei der Justiz in Norddeutschland Widerstand. Von "unverantwortlichen Personalkürzungen" ist die Rede und von "Anlass zur höchsten Sorge". Dies berichtet der "Weser Kurier" am Mittwoch.
"Wir haben lange überlegt, ob wir diesen Schritt gehen", sagt Bremens Generalstaatsanwältin, Kirsten Graalmann-Scheerer. Und Peter Heine, Chef des Landessozialgerichts Niedersachsen/Bremen, sagte gegenüber der Zeitung, dass er gar eine unterschiedliche Rechtssicherheit zwischen Bremen und Niedersachsen sieht. Wer in Bremen vor das Sozialgericht ziehe, müsse viel Geduld mitbringen: "Das ist unerträglich."
Zudem beklagen die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts, Sabine Kallmann, und der Präsident des Finanzgerichtes, Lutz Hoffmann die langandauernden Verfahren. Auch der Präsident des Hanseatischen Oberlandesgericht, Wolfgang Arenhövel, ist erbost.
Der Koalitionsvertrag in Bremen sieht vor, dass die Justiz künftig 1,6 Prozent ihres Personals einspart. Doch seit 1993 habe die Justiz bereits rund 25 Prozent ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebüßt, so Arenhövel gegenüber dem Weser Kurier. Nach der neuen Sparrunde würden 80 Stellen im Laufe der Legislaturperiode wegfallen. Er wolle hierfür keine Verantwortung übernehmen.
"Ständig neue Löcher"
Generalstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer beklagt zudem die vielen offenen Verfahren. Die hohen Erledigungszahlen, auf die sich Staatsrat Matthias Stauch vergangene Woche vor dem Rechtsausschuss bezog, spiegelten die Realität nicht wieder. Hierbei handele es sich lediglich um schnelle und einfach gelagerte Fälle.
Bei starker Überlastung halfen sich die Gerichte bislang gegenseitig. Richter wechselten vom Finanz- zum Verwaltungsgericht oder vom Arbeits- zum Sozialgericht. "Jeder hilft jedem. Aber eigentlich", so sagt Sabine Kallmann der Zeitung, "reißen wir nur ständig neue Löcher."
Weser Kurier/tko/LTO-Redaktion
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Justiz: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4175 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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