Der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier darf sein Richteramt vorerst nicht mehr ausüben. Es sei naheliegend, dass Maier sein Amt als "AfD-Richter" führen würde, so das Dienstgericht am LG Leipzig.
Das Dienstgericht für Richter beim Landgericht (LG) Leipzig untersagt dem ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier die Führung der Amtsgeschäfte. Das bedeutet konkret: Maier wird vorerst doch nicht als Richter tätig sein (Beschl. v. 24.03.2022, Az. 66 DG 1/22).
Update: Schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege möglich
Das sächsische Justizministerium hatte einen entsprechenden Antrag gemäß §§ 46 Sächsisches Richtergesetz, 35 Deutsches Richtergesetz gestellt. Die Entscheidung gilt vorläufig bis zur Entscheidung über einen weiteren Antrag, welcher die Versetzung in den Ruhestand zum Interesse der Rechtspflege betrifft.
Das Dienstgericht betonte, dass aufgrund des erheblichen Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Grundgesetz) eine solche Entscheidung nur getroffen werden könne, um eine "schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege aufgrund von außerhalb der richterlichen Tätigkeit liegenden Tatsachen" abzuwenden. Aus § 39 DRiG ergibt sich, dass sich Richter auch außerhalb der eigentlichen Tätigkeit, insbesondere auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten haben, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.
Inhaltlich geht es um Maiers Nähe zum aufgelösten "Flügel" der AfD. Nach Überzeugung des Dienstgerichts stehe der Heranziehung dieser Sachverhalte und Tatsachen nicht entgegen, dass Maiers Pflichten als Richter zu seiner Zeit als Mitglied des Bundestages geruht hätten. Aus diesen Tatsachen sei nämlich eine Prognose möglich, ob sich der Richter künftig den Anforderungen von § 39 DRiG entsprechend verhalten würde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Indemnität von Abgeordneten (Art. 46 I S. 1 GG).
Maier "gegenwärtig nicht mehr tragfähig"
Der Freistaat Sachsen hat dem Dienstgericht mit den Erkenntnissen aus dem einschlägigen Verfassungsschutzbericht von 2020 überzeugend darlegen können, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die öffentliche Wahrnehmung von Maier als Rechtsextremist bestehe. Daraus könnte eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege folgen, weil Maiers Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheinen könne. Dann wäre das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige und unvoreingenommene Justiz jedenfalls gemindert, wenn nicht gar gänzlich beseitigt.
Ferner stützte das Dienstgericht seine Überzeugung auf Äußerungen von Maier im Bundestagswahlkampf 2017. Zu dieser Zeit war Maier noch Richter. Es sei naheliegend, dass Maier sein Amt als "AfD-Richter" führen würde und damit nicht mehr dem gesetzlichen Leitbild eines unabhängigen und objektiven Richters entsprechen würde, so das Dienstgericht.
Aufgrund des öffentlichen Eindrucks von Maier sei er gegenwärtig nicht mehr "tragfähig", meint das Dienstgericht, da er voraussichtlich nicht Gewähr dafür biete, sein Richteramt unparteiisch, verfassungstreu und uneigennützig sowie ohne Ansehen der Person zu führen. Deshalb sei die vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte hier geboten.
Mit der Entscheidung des Dienstgerichts wird eine Richteranklage, wie sie von den Grünen im Sächsichen Landtag auf Grundlage eines Gutachtens des Berliner Staatsrechtsprofessors Christoph Möllers erwogen wurde, wohl unwahrscheinlicher. Abzuwarten bleibt also der Ausgang des Verfahrens nach § 31 DRiG, mit dem Maier im Interesse der Rechtspflege in den Ruhestand versetzt werden soll. Außerdem läuft vor dem LG Dresden noch ein Disziplinarverfahren.
Die grüne sächsische Justizministerin Katja Meier begrüßte die Entscheidung: "Verfassungsfeinde werden im Justiz nicht geduldet. Alle Richterinnen und Richter sowie Beamtinnen und Beamte müssen sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung jederzeit eintreten". Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) äußerte sich zufrieden: "Wir begrüßen, dass dem rechtsextremen Ex-Abgeordneten Jens Maier vorerst die Rückkehr auf den Richterstuhl verwehrt bleibt. Erklärte Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben im Richteramt nichts verloren. Es wäre nicht nur der Anwaltschaft unzumutbar, in einer Verhandlung einem solchen Richter gegenüberzusitzen. Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf den Rechtsstaat verlassen können. Dies wäre unmöglich, wenn sie dem Urteil eines Richters ausgesetzt sind, der eben diesen Rechtsstaat verachtet."
jb/pdi/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
So begründet das Dienstgericht die Entscheidung: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47950 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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