EU-Ausländer werden in der italienischen Opferentschädigung zwar gegenüber eigenen Staatsbürgern nicht benachteiligt. Die Ansprüche bleiben aber trotzdem hinter Unionsrecht zurück, findet der EuGH.
Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sind verpflichtet, Opfer von Gewalttaten angemessen zu entschädigen. So schreibt es die Richtlinie 2004/80/EG vom 29. April 2004 vor. Diese hat Italien mit seinem Entschädigungssystem aber nicht korrekt umgesetzt, entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag (Az. C-601/14, Urt. v. 11.10.2016).
Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission. Sie machte damit geltend, Italien verstoße gegen Unionsrecht, da es keine allgemeine Entschädigungsregelung für Opfer von vorsätzlicher Gewalt in grenzüberschreitenden Fällen geschaffen habe. Dieser Argumentation folgte der Gerichtshof im Wesentlichen.
Seiner Ansicht nach hat die italienische Regierung zwar verschiedene Spezialgesetze zur Entschädigung von Opfern bestimmter Gewalttaten erlassen. Diese sind nach Umsetzung der besagten Richtlinie auch auf grenzüberschreitende Fälle anwendbar und auch dann, wenn EU-Ausländer in Italien Opfer von Gewalt werden.
Keine Beschränkung auf bestimmte Gewalttaten
Italien habe aber nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Entschädigung der Opfer sämtlicher vorsätzlich begangener Gewalttaten zu sichern. Die italienischen Gesetze bezögen sich nämlich nicht auf alle Opfer vorsätzlicher Gewalt, sondern nur auf diejenigen, die von speziellen Formen wie Terrorismus oder organisierte Kriminalität betroffen sind.
Die Richtlinie verlange aber nicht nur in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot den Zugang von EU-Ausländern zum bestehenden Entschädigungssystem. Auch dessen Umfang sei im nationalen Recht entsprechend der unionsrechtlichen Vorgaben zu regeln, so die Luxemburger Richter.
Dabei stehe es dem Mitgliedstaat zwar frei, den Begriff "vorsätzliche Gewalt" durch innerstaatliches Recht zu definieren. Der Anwendungsbereich der Entschädigungsgesetze dürfe aber nicht auf nur bestimmte Arten vorsätzlicher Gewalt begrenzt werden.
mam/LTO-Redaktion
EuGH zu Opferentschädigung: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20831 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag