Verfassungsbeschwerden gegen BMI-Verbot: "links­unten.indy­media" wird Fall fürs BVerfG

von Dr. Markus Sehl

08.06.2020

Fünf Freiburger, die das BMI zu den Betreibern der verbotenen Internetplattform rechnet, haben Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie sehen die Plattform als von der Pressefreiheit geschütztes Medium und das Vereinsrecht instrumentalisiert.

Bereits unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) von Ende Januar hatten die Anwälte angekündigt, Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidung der Leipziger Richter ausarbeiten zu wollen. Am Montag sind die Beschwerden nun beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben worden. Die Beschwerdeführer rügen laut eigener Pressemitteilung die Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie die Verletzung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.

Die Internetseite "linksunten.indymedia" galt nach Ansicht von Sicherheitsbehörden als das einflussreichste Medium der linksextremistischen Szene in Deutschland und als Forum für gewaltbereite Autonome. 2017 hat das Bundesinnenministerium unter Thomas de Maizière (CDU) nach Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg die Plattform verboten und sie vom Netz nehmen lassen.

Auf der Webseite werde öffentlich zur Begehung von Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte und politische Gegner sowie zu Sabotageaktionen gegen staatliche und private Infrastruktureinrichtungen aufgerufen, begründete das BMI damals das Verbot.

Das Vereinsrecht als Instrument für ein Medienverbot?

Klagen gegen das Verbot hatte das BVerwG im Januar als zulässig, aber unbegründet abgewiesen – die Kernfrage aber juristisch ungeklärt gelassen: Zur Rechtmäßigkeit des Verbots der Plattform trafen die Richter keine Aussage.

Die fünf Freiburger, die das BMI zu den Betreibern der Plattform rechnet und die bereits vor dem BVerwG geklagt hatten, tragen das Verfahren nun nach Karlsruhe. Sie sind der Meinung, bei der Plattform handele es sich um ein Nachrichten- und Kommunikationsportal, für welches auch der Schutz der Pressefreiheit aus dem GG gelte. Das Verbot sei ausschließlich mit Medieninhalten begründet worden, so die Beschwerdeführer. Die Darstellung des BMI und des BVerwG, man habe mit dem auf das Vereinsrecht gestützten Verbot nicht vorrangig die Internetplattform, sondern die dahinter stehende Personenvereinigung treffen wollen, halten die Betroffenen für vorgeschoben.

"Das eigentliche Ziel des BMI war die Abschaltung der Plattform, die dem BMI ein Dorn im Auge war. Richtigerweise hätte deshalb Maßstab für die Prüfung nicht das Vereinsgesetz, sondern vielmehr das Telemediengesetz sein müssen", sagte der Berliner Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, einer der Prozessbevollmächtigten. Laut dem Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der ebenfalls Prozessbevollmächtigter ist, werde, "wenn sich die Verbotsbehörde aussuchen kann, auf welcher Rechtsgrundlage sie gegen missliebige Inhalte von Medien vorgeht, die Pressefreiheit ausgehebelt".

Zitiervorschlag

Verfassungsbeschwerden gegen BMI-Verbot: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41835 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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