Geht ein Versicherter aufgrund unzureichender Aufklärung eines Vertragsarztes davon aus, er erhalte eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, liegt ein so genanntes Systemversagen vor. In diesem Fall muss die Krankenkasse die Behandlungskosten auch dann übernehmen, wenn der Versicherte einen Privatbehandlungsvertrag mit dem Arzt unterzeichnet hat. Dies entschied in einem am Montag veröffentlichten Urteil der 8. Senat des Hessischen LSG.
Eine an metastasiertem Darmkrebs leidende Frau wurde im Jahr 2005 von ihrem Hausarzt zur Chemo-Embolisation in der Universitätsklinik Frankfurt am Main überwiesen. Trotz des Überweisungsscheins ließ der Arzt die erkrankte Frau ein Formular für private Behandlungen unterzeichnen und stellte ihr die Kosten für ambulant durchgeführte Chemo-Embolisationen in Rechnung. Tatsächlich hatte er die Versicherte jedoch mit dem Verfahren der transarteriellen Chemo-Perfusion behandelt. Die von der Versicherten beantragte Kostenerstattung lehnte die Krankenkasse mit der Begründung ab, dass die Chemo-Perfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt sei.
Die Darmstädter Richter verurteilten die Krankenkasse nun zur Erstattung der Kosten für die vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten durchgeführten Behandlungen in Höhe von rund 18.700 Euro (Urt. v. 28.04.2011, Az. L 8 KR 313/08). Die Versicherte habe sich nicht bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenkassen begeben. Denn ihr sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass Professor V. Chemo Perfusion anstelle der verordneten und in Rechnung gestellten Chemo-Embolisation durchführe. Im Hinblick auf den für sie wahrnehmbaren Behandlungsablauf habe sie hiervon auch nicht ausgehen müssen.
Damit liege ein sogenanntes Systemversagen vor, welches ein Akteur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausgelöst habe. In diesem Fall sei es nicht sachgerecht, den Versicherten auf seinen gegenüber dem Arzt bestehenden Rückforderungsanspruch wegen unwirksamer Vergütungsvereinbarung zu verweisen, den er gegebenenfalls vor dem Zivilgericht geltend machen müsse.
Das Landesozialgericht (LSG) entschied jedoch auch, dass mit der Kenntnis der Versicherten vom ablehnenden Bescheid der Krankenkassen ein Systemversagen nicht mehr vorliege. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Versicherten bekannt, dass Professor V. sie mit der - nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gehörenden - Chemo-Perfusion behandle. Die nach diesem Zeitraum angefallenen Kosten in Höhe von rund 50.000 Euro seien daher von der Krankenkasse nicht zu erstatten.
age/LTO-Redaktion
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Hessisches LSG: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4018 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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