AG München sieht keinen einfach gelagerten Sachverhalt: Kein besch­leu­nigtes Ver­fahren wegen Terror-Bil­li­gung

09.11.2023

Die Hamas-Taten vom 7. Oktober seien im Kontext betrachtet "viel zu wenig", sagte ein Mann vor laufenden Kameras. Die Münchener GStA wollte das Strafverfahren beschleunigen. Nicht so schnell, sagte das Amtsgericht und gab die Akte zurück.

Auf einer verbotenen Solidaritätskundgebung für Palästinenser am 13. Oktober in München bekundete ein Mann seine Sympathie mit dem Angriff der Hamas auf Israel sechs Tage zuvor. Möglicherweise eine strafbare Billigung von Straftaten gemäß § 140 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB). 

Da dies vor laufenden Kameras geschah, hielt die Generanstaatsanwaltschaft (GStA) München den Fall für so klar belegt, dass sie bei Gericht einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren stellte. Doch das Amtsgericht (AG) München lehnte den Antrag ab, wie am Mittwochnachmittag bekannt wurde. Das Gericht hält den Sachverhalt nicht für einfach gelagert und gab die Sache wieder an die Ermittler zurück, bestätigte eine Sprecherin auf LTO-Anfrage am Donnerstag.

Die Aussage des 27-Jährigen war von Kameras eingefangen und in der Sendung "Kontrovers" des Bayerischen Rundfunks ausgestrahlt worden; sie ist online nach wie vor abrufbar. In dem Beitrag sagte der Mann wörtlich: "Für die Tat alleine habe ich kein Verständnis." Wenn er aber berücksichtige, was die Jahre davor passiert sei, und sich dann den Angriff vom 7. Oktober anschaue, "sage ich: Das ist viel zu wenig."

 

 

Die GStA sieht hierin eine Billigung des Terrors, also der Morde, Vergewaltigungen und Geiselnahmen, der Hamas. Auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 140 StGB seien erfüllt. "Die Äußerung des Angeschuldigten war nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft München geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören", wurde die Behörde am Mittwoch zitiert. "Die deutsche Bevölkerung nimmt großen Anteil an dem Leid der zahlreichen ermordeten und entführten Menschen. Die Sympathiebekundungen, die der Angeschuldigte von sich gab, haben das Potenzial, erheblichen Unfrieden in der deutschen Bevölkerung zu verursachen."

AG München gibt die Sache an die Ermittler zurück

Ob das AG München die rechtliche Einschätzung teilt oder nicht, hat es nicht entschieden. Mit dem auf Dienstag datierten Beschluss lehnte es nur den Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren ab und gab die Sache an die GStA zurück. Denn der Sachverhalt ist nach Einschätzung des AG nicht einfach gelagert.

Gemäß § 417 Strafprozessordnung (StPO) kann die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren stellen, "wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist." Das Verfahren wird etwa in Fällen des "Schwarzfahrens" (Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB) oder einfacher und gut dokumentierter Ladendiebstähle oft durchgeführt. Gibt das Gericht dem Antrag statt, soll innerhalb von sechs Wochen die Hauptverhandlung stattfinden (§ 418 Abs. 1 S. 2 StPO).

Der Antrag kann mündlich gestellt werden, eine Anklage muss nicht beiliegen. Schon deshalb bedeutet die Ablehnung des Antrags gemäß § 419 Abs. 3 StPO gerade keine Zurückweisung der Anklage. Wurde die Anklage beigefügt, kann das Gericht das Hauptverfahren auf dem "normalen" Weg eröffnen, wenn es den dafür erforderlichen hinreichenden Tatverdacht (§ 203 StPO) bejaht.

"Normale" Anklage erhoben

Diesen Weg ist das AG München vorliegend nicht gegangen: Wie eine Sprecherin gegenüber LTO mitteilte, hat das Gericht die Akten zurück an die GStA geschickt. Damit hat das Gericht allerdings nicht über die Frage des Tatverdachts entschieden. Die Eröffnung des Hauptverfahren sei hier schon mangels Zuständigkeit abgelehnt worden: Über die Zulässigkeit des Antrags nach § 417 StPO entscheidet in München der Ermittlungsrichter beim AG, über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat gemäß § 199 StPO dagegen das Gericht zu entscheiden, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden würde. Nur dieses darf prüfen, ob hinreichender Tatverdacht besteht. Das Tatgericht in diesem Fall wäre voraussichtlich auch das Amtsgericht, aber ggf. eine andere Abteilung. Welche das ist, legt der Geschäftsverteilungsplan fest.

Ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Antrags steht der GStA nicht zu (§ 419 Abs. 2 StPO). Allerdings kann es den Fall nun selbst gegenüber dem Tatgericht zur "normalen" Anklage bringen. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag auch mit inhaltsgleichem Tatvorwurf getan, wie ein Sprecher der GStA gegenüber LTO bestätigte.* Bis zur Hauptverhandlung kann es aber ein Jahr oder länger statt nur sechs Wochen dauern.

mk/LTO-Redaktion

* Geändert am 09:11.2023, 17:50 (Red.). Vorher hieß es, eine Anklageerhebung werde noch geprüft. 

Zitiervorschlag

AG München sieht keinen einfach gelagerten Sachverhalt: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53115 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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